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Pellworm – erneuerbare Energien weiter gedacht

Bürgerwindpark
Bürgerwindpark im Nordosten der Insel Pellworm

Der Gegenwind war hart und gemischt mit Regen als ich über die Halbinsel Nordstrand zum Fähranleger Strucklahnungshörn fuhr um die Fähre nach Pellworm zu nehmen. Das änderte sich auch nicht als ich auf der Insel nach Westen in Richtung der Alten Kirche mit der zum Seezeichen gewordenen Turmruine radelte. Ich hatte längst eingesehen, dass Fahrradfahren auf dem flachen Land nicht immer so einfach ist. Rückenwind ist irgendwie sehr selten und Gegenwind kann härter sein als Steigungen, vor allem viel unberechenbarer.
Dieser Wind ist aber eigentlich gerade der Grund warum ich auf die Insel Pellworm gekommen war. Im Prinzip hätte ich die Reise auch hier auf Pellworm beginnen können, denn ähnlich wie in Südbaden reichen auch auf dieser nordfriesischen Insel die Anfänge der Energiewende bis in die 1970er Jahre zurück. Das 1983 erbaute Solarfeld war damals sogar das größte Solarkraftwerk Europas und in Kombination mit der Windkraftnutzung war es einmal das größte Hybridkraftwerk Europas. Heute gibt es vielerorts deutlich größere Wind- und Solarkraftwerke. Doch auf Pellworm wird weiter Pionierarbeit geleistet in der Erprobung von Speichertechnologien und intelligenter Vernetzung.

Solarfeld des Hybridkraftwerks Pellworm
Solarfeld des Hybridkraftwerks Pellworm

Seit 2013 wird hier an einem intelligenten Stromnetz geforscht. Das sogenannte SmartGrid soll Produktion, Speicherung und Verbrauch erneuerbarer Energien besser auf einander abstimmen und die Schwankungen zwischen stürmischen, sonnigen und windstillen Zeiten ausgleichen. Neben der Speicherung von überschüssiger Energie in einer Redox-Flow-Batterie und Lithium-Batterien werden die Produktion und der Verbrauch von Strom analysiert. Einige Haushalte auf Pellworm erhielten ein sogenanntes Smart Meter um das Verbrauchsverhalten genauer zu erforschen und Stromspeicher für den selbst erzeugten Photovoltaikstrom vom eigenen Dach.

Substrat für die Biogasanlage
Substrat für die Biogasanlage

Aber woher kommt es, dass eine Insel wie Pellworm in Sachen Energiewende von jeher so weit vorn liegt? Auf der einen Seite sind natürlich die Bedingungen ideal, die Sonne scheint annähernd so häufig wie in Südbaden und dazu weht häufig der Wind. Auf der anderen Seite sind es aber wieder einmal die einzelnen Menschen, die vorwärts denken und sich Gedanken machen darüber, wie sie das Leben auf ihrer Insel verbessern können. Seit Ende der 1980er Jahre haben sich Pellwormer Bürger im Arbeitskreis Energie des Vereins Ökologisch wirtschaften zusammengeschlossen und haben seither einen Bürgerwindpark, eine Biogasanlage und auch viele kleinere Projekte zur Energieeinsparung und Effizienzsteigerung gestartet.

Turmruine
Turmruine der Alten Kirche, Wahrzeichen und Seezeichen

Interessant ist vor allem, dass es auf Pellworm nicht mehr nur um den Aufbau einer zukunftsfähigen Energieversorgung geht. Das Ziel ist ganzheitlicher hier. „Es geht nicht nur darum „grünen Strom“ zu erzeugen und zu verbrauchen, sondern es geht darum die Bevölkerung zu motivieren sich an Energieeinspar- und Effizienzmaßnahmen zu beteiligen. Es geht aber auch darum mit der Nutzung regenerativer Energie etwas zur Stabilisierung des ländlichen Raumes zu tun“ erklärt der Arzt Dr. Uwe Kurzke, „wenn es uns gelingen würde über die Nutzung regenerativer Energien beispielsweise über eine Stiftung eine zusätzliche finanzielle Unterstützung für junge Pellwormer Familien mit Kindern in der Ausbildung zu finanzieren, könnten wir so vielleicht dem demografischen Niedergang der Insel ein bisschen Aufschub verschaffen. Insofern denke ich, dass es nicht mehr nur um die rein autarke Energieversorgung geht, es geht um mehr.”

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Vielleicht ist es die Insellage an sich, durch die die Menschen stärker verinnerlicht haben, dass jede Entscheidung Konsequenzen für alle hat und nicht nur für den Einzelnen, der davon profitieren will. Vielleicht ist das Bewusstsein für Umweltveränderungen stärker wenn man auf Meeresspiegelhöhe lebt. Die Menschen auf Pellworm geben ein Beispiel was möglich ist und von dem man viel lernen kann.
Ich jedenfalls habe viel gelernt. Die Interviews sind nun alle online, weiter geht es mit den Filmen, die ich jeweils etwa im Wochenabstand online stellen werde.

Zum Interview mit Dr. Uwe Kurzke (Verein Ökologisch Wirtschaften)
Zum Interview mit Kai Edlefsen (Geschäftsführer des Bürgerwindparks)
Zum Interview mit Henning Clausen (Geschäftsführer der Biogasanlage)
Zum Interview mit Werner Wulf (Schleswig-Holstein Netz AG)
Außerdem eine kleine Hausführung mit Christian Cornilsen und ein spontanes Kurzinterview mit Dieter Haack (Projektleiter, Schleswig-Holstein Netz AG)

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Berlin – Bürger wollen Stromnetz kaufen

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Es wird spannend in Berlin. Am 2. Juni lief die Frist für indikative Angebote für das Berliner Stromnetz ab. Neben Berlin Energie und Vattenfall hat auch die Bürgergenossenschaft BürgerEnergie Berlin ein Angebot eingereicht. Der Senat prüft nun die Angebote und wird Verhandlungen aufnehmen und entscheiden ob die Ende des Jahres auslaufende Konzession für weitere 20 Jahre an Vattenfall gehen wird oder ob in Zukunft auch die Bürgerinnen und Bürger Berlins an ihrem Stromnetz beteiligt werden.
Auf meinem Weg nach Norden erreichte ich Berlin gerade rechtzeitig zur Energiewende Demonstration am 10.Mai. Matthias Futterlieb von BürgerEnergie Berlin erklärte mir den ehrgeizigen Plan von mittlerweile über 2000 Berlinerinnen und Berlinern, die das Stromnetz der Hauptstadt in Bürgerhand bringen wollen.

Matthias Futterlieb am Infostand von BürgerEnergieBerlin
Matthias Futterlieb am Infostand von BürgerEnergieBerlin

„Wir sind der Meinung, dass es nicht im Sinne Berlins sein kann, dass das Netz weiterhin von Vattenfall betrieben wird und die sicheren Gewinne nach Schweden abfließen. Dieses Geld sollte besser in Energieprojekten hier in Berlin verwendet werden und in Teilen an die Bürgerinnen und Bürger zurück fließen“, sagt Matthias Futterlieb, „außerdem hat der Betreiber eines Stromverteilnetzes auch Einfluss auf den Erfolg und das Funktionieren der Energiewende. Wir sind der Ansicht, dass die Konzession, die jetzt neu vergeben wird, nicht wieder an Vattenfall gehen sollte.“
Vorbild sind in gewisser Weise die Elektrizitätswerke Schönau. Doch die Ausgangssituation hat sich in den letzten 20 Jahren verändert. „Die EWS mussten das örtliche Stromnetz kaufen, um ihre Idee einer ökologischen Stromversorgung umsetzen zu können und dem vorherigen Betreiber die Gewinne aus dem Netzbetrieb zu entziehen,“ erzählt Matthias Futterlieb, „heute ist das etwas anders. Jeder Stromnetzbetreiber ist grundsätzlich verpflichtet, Strom aus erneuerbaren Quellen aufzunehmen. Mit höheren Anteilen regenerativen Stroms ändert sich aber auch die Rolle des Netzbetreibers, er muss heute Veränderungen im Erzeugungsmix antizipieren und proaktiv tätig werden. Dienst nach Vorschrift reicht nicht mehr. Darüber hinaus verbindet uns mit den EWS der Gedanke, dass die Gewinne aus einem regulierten Monopolbetrieb nicht an die Anteilseigner eines Atom- und Kohlekonzerns fließen müssen, sondern besser vor Ort für erneuerbare Energien und Energieeffizienz verwendet werden können.“

Zum Interview mit Matthias Futterlieb (BürgerEnergie Berlin)
Zum Interview mit Michael Sladek (Elektrizitätswerke Schönau)

Welzow – es bleibt noch der juristische Weg

Tagebaurand
Rand des Tagebaus Welzow vom Gut Geisendorf aus

Gestern am 3. Juni ist die brandenburgische Landesregierung der Empfehlung ihres Braunkohlenausschusses vom 28. April gefolgt und hat dem Braunkohlenplan und damit dem Aufschluss des Tagebaus Welzow-Süd Teilfeld II zugestimmt. Dies bedeutet, dass den betroffenen etwa 800 Einwohner von Proschim, Lindenfeld und einem Teil der Stadt Welzow nur noch der juristische Weg einer Klage bleibt, wenn sie ihre Häuser und Betriebe erhalten wollen. In Proschim trifft dies auch einen großer Landwirtschaftsbetrieb mit mehreren Solarkraftwerken und Biogasanlage. Petra Rösch vom landwirtschaftlichen Firmenverbund Proschim sprach bei der Sitzung des Braunkohlenausschusses von der größten Enteignung in der Geschichte der Bundesrepublik.

Protest vor der Sitzung des Braunkohlenausschusses
Protest vor der Sitzung des Braunkohlenausschusses am 28.4.2014 in Cottbus

Betroffen sind aber nicht nur diejenigen, deren Grundstücke in Anspruch genommen werden sollen. Auch für die Menschen in den angrenzenden Orten hat der Tagebau Folgen. In Welzow erzählte mir Hannelore Wodtke, wie es ist neben einem Tagebau zu wohnen. „Es gibt Tage da habe ich einen Messwert von über 60 Dezibel“, berichtet Hannelore Wodtke. „Die Bevölkerung, die weiter weg ist von der Tagebaukante, sieht unsere Gegend nur als schöne Gegend, durch den Tourismus und die vielen Seen. Aber die wirklichen Beschwerlichkeiten, die die Randbetroffenen haben, die werden nicht gesehen. Es gibt 30 Kilometer weg vom Tagebau Leute, die wissen noch nicht einmal wie ein Tagebau aussieht, welche Auswirkungen diese ganzen Beschwerlichkeiten haben und dass es zu Krankheiten kommt wie Kreislaufbeschwerden und Herzinfarkten.“

Windkraftanlagen bei Proschim
Windkraftanlagen bei Proschim

Die vielen Seen der Lausitz wirken idyllisch. Doch Versauerung, Verockerung und Rutschungen, wegen denen gefährdete Gebiete gesperrt werden müssen, können nicht ausgeschlossen werden. Der Aufschluss des Teilfeldes II und die zukünftige Flutung nach dem Abschluss der Kohleförderung machen die Stadt Welzow zu einer Halbinsel und das Dorf Lieske zu einem dünnen Landstreifen zwischen zwei Seen. Einige Hausbesitzer in der Nähe des Tagebaus verzeichnen bereits Schäden an ihren Häusern. Entschädigungsanträge waren jedoch bisher erfolglos, da die Schäden nach Aussage von Vattenfall Bauschäden und keine Bergbauschäden sind. „Obwohl die Häuser zum Beispiel 1903 gebaut wurden oder 1930 oder im Jahr 2000, fingen im Jahr 2004 bei allen Häusern gleichzeitig die Schäden an“, erzählt Hannelore Wodtke, die gemeinsam mit Vertretern der anderen vom Bergbau betroffenen Orte und verschiedenen Organisationen am 8. Mai den Verein Netzwerk Bergbaugeschädigter e.V. der Lausitzer Braunkohleregion gründete um eine Schiedsstelle zu schaffen, die mit neutralen Gutachtern die Schäden prüft und den Menschen zu ihrem Recht verhilft.

Zum Interview mit Hannelore Wodtke

Hannelore Wodtke
Hannelore Wodtke bei der Gründung des Netzwerks Bergbaugeschädigter am 8.5.2014

Rohne – Was man nicht mitnehmen kann

Vor dem Spaziergangs gegen Abbaggerung unterhält sich Edith Penk vor dem Bahnhof von Schleife mit einem Kamerateam und Menschen aus Rohne
Vor dem Spaziergangs gegen Abbaggerung unterhält sich Edith Penk vor dem Bahnhof von Schleife mit einem Kamerateam und mit Menschen aus Rohne

Während dem „Spaziergang gegen Abbaggerung“ hatte ich nur kurz Gelegenheit gehabt mit Menschen aus Rohne zu sprechen, also kam ich nochmal zurück nach Rohne. Edith Penk hatte mich eingeladen um mir die Naturlandschaft zu zeigen, die neben den Menschen und ihren Dörfern auch dem Tagebau weichen sollen. „Wenn man alles miteinrechnet, dann sind wenn der Tagebau alles gefressen hat 17 000 Hektar unserer schönen Heimat zerstört“, erzählt die Rentnerin Edith Penk, „Pücklers Jagdpark war voller alter Bäume, alte Buchen, alte Eichen, Kiefern, Fichten, Lärchen, Linden, Eschen, alles was man sich denken kann. Manche hatten ihre 400 Jahre auf dem Buckel.“ Von Orten wie der Jagdschlosswiese Fürst Pücklers und den Märchensee, von denen sie mir erzählte und Bilder zeigte, sah ich fast nur noch abgeholzte Flächen. Wegen Amphibien hat man rund um den ehemaligen Märchensee noch ein paar Bäume rundherum stehen gelassen, wie eine einsame Insel in der weiten gerodeten Fläche. Sind die Amphibien wieder weg werden auch der Rest der Bäume gefällt und gehäckselt denn dieses Abbaugebiet ist bereits seit 1994 genehmigt und wird nun gerodet und für den Tagebau vorbereitet. Der Jagdpark des Fürst Pückler und das Naturschutzgebiet „Urwald Weisswasser“ sind damit Geschichte. Edith Penk und ihr Sohn Christian versuchen seltene Pflanzen zu retten indem sie diese suchen und markieren, so dass sie umgesetzt werden können. „Man kann eine Genehmigung kriegen die Pflanzen zu kennzeichnen, die gerettet werden müssen, aber nur an bestimmten Stellen und meistens auch wenn es schon fast zu spät ist“, erzählt Edith Penk, „laut Gesetz ist es verboten geschützte Pflanzen zu entnehmen aber es ist nicht verboten, dass der Harvester oder irgendein Bagger die geschützten Pflanzen zerfährt.“

Zum Interview mit Edith Penk

Die Fläche rund um den "Märchensee" im bereits 1994 genehmigten Abbaugebiet ist schon gerodet
Die Fläche rund um den “Märchensee” im bereits 1994 genehmigten Abbaugebiet ist schon gerodet

Neben den Pflanzen, die nur in sehr geringem Umfang umgesiedelt werden können, sind es die Gebäude verschiedener historischer Baustile und die sorbischen Flurnamen, die die Menschen nicht mitnehmen können. Typisch für die Gegend sind Vierseitenhöfe, wie der von Ingo Schuster und seiner Frau Antje. Seit 2001 renoviert Ingo Schuster in Eigenarbeit zusammen mit Verwandten und Freunden seinen Vierseitenhof, genauso wie es auch sein Vater und sein Großvater getan hatten, die ihrerseits bereits ihre Höfe aufgeben mussten weil diese schon früheren Bergbauplänen im Weg waren. „Der Vierseitenhof, so in dem Stil mit vier Gebäuden mit Scheunenbereich, das kann man nicht mehr so aufbauen“, sagt Ingo Schuster, „da gibt es das sächsische Baugesetz. Wenn man nicht gerade einen Hof im landwirtschaftlichen Erwerb hat, dann ist es nicht mehr möglich das neu zu errichten. Das ist nicht mehr genehmigungsfähig.“ Er hat viel Zeit und Arbeit in diesen Hof investiert, entsprechend stark fühlt er sich mit diesem Ort verbunden. Andere Menschen in Rohne, die ihre Häuser nicht renoviert haben, sind dagegen teilweise froh ein neues Haus für ein Altes zu bekommen. So wächst ein Interessenskonflikt, zwischen denen, die sich Vorteile erhoffen wenn sie umsiedeln, und denen, die bleiben wollen. Ingo Schuster will bleiben und pflanzt junge Obstbäume entlang seiner Einfahrt, wo eine Woche zuvor die Kundgebung des Bündnisses „Strukturwandel jetzt – kein Nochten II“ stattgefunden hatte.

Zum Interview mit Ingo Schuster

Ingo Schuster pflanzt einen neuen Apfelbaum auf seinem Hof
Ingo Schuster pflanzt einen neuen Apfelbaum auf seinem Hof

Das Bündnis „Strukturwandel jetzt – kein Nochten II“ besteht seit Frühjahr 2013. Mitaufgebaut hat es Friederike Böttcher als Reaktion auf die mangelnde Bürgerbeteiligung im Erörterungsverfahren und die geringe Zusammenarbeit der verschiedenen Gruppen in der Region. Es gilt den geplanten Tagebau Nochten II zu verhindern. Wie der Namen des Bündnisses bereits deutlich macht, hat Sie aber auch das dahinterliegende Problem im Blick. Die Lausitz ist eine strukturschwache Gegend mit hoher Arbeitslosigkeit und niedrigen Einkohmmen. „Das Problem ist, dass in Sachsen noch nicht der Gedanke angekommen ist oder bewusst ignoriert wird, dass die Kohle so oder so leer sein wird. Auch wenn Nochten II aufgemacht wird, reicht die Kohle vielleicht bis in die 2060er Jahre“, erklärt Friederike Böttcher, „aber spätestens dann ist das Gebiet ausgekohlt und dann stellt sich die Frage wie geht die Zukunft der Lausitz weiter? Deswegen sind wir der Auffassung, warum so lange warten? Wir wollen jetzt anfangen über Zukunftsperspektiven der Lausitz nachzudenken. Wir wollen, dass auch noch in 50 Jahren junge Menschen hier wohnen, die sich für ihre Region engagieren und ihre Region lebenswert finden.“

Zum Interview mit Friederike Böttcher

Friederike Böttcher beim Spaziergang gegen Abbaggerung
Friederike Böttcher beim Spaziergang gegen Abbaggerung

Atterwasch – Zeigen, dass es auch anders geht

Mein Fahrradnavi funktionierte nicht mehr richtig. Es lag aber nicht daran, dass ich schon fast die polnische Grenze erreicht hatte. Das Ding war wirklich kaputt. Na ja, es spricht ja auch nichts dagegen nach Straßenschildern zu fahren. Mit Navi (oder mit Karte) wäre ich wahrscheinlich einen etwas schöneren oder direkteren Weg gefahren. So landete ich auf einem Weg, der schier endlos durch eine Kiefernmonokultur am Rand des Tagebaus führte. In regelmäßigen Abständen wiesen Schilder darauf hin, dass es nicht erlaubt ist den Weg zu verlassen, da man sich sonst auf dem Betriebsgelände des Tagebaus befindet. Als der Weg endlich wieder aus dem Kiefernforst hinausführte, wirkte die Landschaft um Kerkwitz, Grabko und Atterwasch mit grünen Wiesen und kleinen Wäldchen, Kühen und Bauernhöfen auf mich geradezu malerisch schön.

Atterwasch
Atterwasch

Einer dieser Bauernhöfe ist der Bauernhof Schulz in Atterwasch. Ulrich Schulz, sein Sohn Christoph und ihre Mitarbeiter führen in Atterwasch einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Hähnchenmast, Rindermast und Schweinemast, Biogasanlage, Photovoltaikanlage, Schlachtbetrieb und im Winterhalbjahr einer Fleischerei und bewirtschaften Ackerfläche, Grünland und Wald.
„Landwirtschaft und Energieerzeugung passen zu 100% zusammen“, meint Ulrich Schulz, „die Biogasanlage integriert sich natürlich in diesen landwirtschaftlichen Betrieb. Wir setzen ja nicht nur den Input aus der Landwirtschaft, sprich die tierischen Exkremente und nachwachsende Rohstoffe ein, sondern wir nutzen auch die Abwärme für unsere Ställe, für unsere Wohnungen und für unsere gewerblichen Teile des Betriebes.“ Mit der Leistung der Biogasanlage von 3 bis 3,5 Millionen kWh pro Jahr produziert Schulz rechnerisch den Bedarf von 1000 Durchschnittshaushalten und damit weit aus mehr als die Orte Atterwasch, Kerkwitz und Grabko mit zusammen knapp 900 Einwohnern verbrauchen. „Sicherlich wollen wir damit Geld verdienen, wir müssen damit Geld verdienen. Aber zum anderen wollten wir auch zeigen, wie Energie auch produziert werden kann ohne dafür Dörfer abzureißen, umzusiedeln, von der Landkarte verschwinden zu lassen“, erklärt Ulrich Schulz.

Zum Interview mit Ulrich Schulz


Bauernhof Schulz
Bauernhof Schulz

Auf dem Bauernhof Schulz leben vier Generationen. Antje Walter, die Lebensgefährtin von Christoph Schulz, hat das Kinderzimmer ihrer kleinen Tochter bemalt. Dabei drängt sich ihr die Frage auf, was sich überhaupt zu tun lohnt, wenn man nicht weiß ob man bleiben kann. „Ist ja gut und schön, dass die dir die Wände tapezieren in deinem neuen Zuhause“, sagt Antje Walter über die Neubauten, die Vattenfall umsiedlungswilligen Betroffenen anbietet, „aber das waren meine Kraft und meine Ideen, die ich da reingesteckt habe.“

Zum Interview mit Antje Walter

Die betroffenen Menschen entwickeln unterschiedliche Arten mit der Situation umzugehen. „Es gibt eine Gruppe, die sagt: ‘Wir bleiben da, wir kämpfen und wir wollen das Dorf erhalten!’ Es gibt die, die sehr resigniert sind, und es gibt durchaus auch ein paar Leute, die sagen: ‘Entscheidung, Geld her und wir gehen. Wir wollen das nicht mehr ertragen.’ Es ist eine ziemlich ungute Gemengelage“, sagt Monika Schulz-Höpfner, „Zusammenfassen würde ich das in dem Satz, der soziale Frieden ist nachhaltig gestört in den Gemeinden, bei uns in Atterwasch ganz besonders, wie ich finde.“ Sie lebt seit 30 Jahren in Atterwasch und ist seit 20 Jahren Landtagsabgeordnete für die CDU. Im brandenburgischen Landtag ist die Mehrheit für die Erweiterung der Braunkohletagebaue. Manche Politikerkollegen reduzieren ihre Aussagen zuweilen auf ihre eigene Betroffenheit. Doch Monika Schulz-Höpfner sieht auch eine positive Seite: „Ich kann mich da vorne hinstellen und kann sagen: ‘Und ich erkläre Ihnen jetzt mal, wie sich das anfühlt, wie sich das wirklich anfühlt.’“
Aber reden alleine hilft nicht. Monika Schulz-Höpfner möchte ein großes Bündnis zwischen Regierung, Gewerkschaften und den gesellschaftlichen Akteuren erreichen um die Energiewende in einem breiten Konsens voranzutreiben. Sorge macht ihr das aggressive Gegeneinander, das sich derzeit hochschaukelt zwischen den im Bergbau beschäftigten Arbeitern, die Angst um ihre Jobs haben, und Einwohnern der betroffenen Orte, die nicht wissen ob sie ihr Zuhause verlieren.

Zum Interview mit Monika Schulz-Höpfner

Atterwasch vom Kirchturm aus
Atterwasch vom Kirchturm aus

Matthias Berndt ist seit knapp 40 Jahren Pfarrer in Atterwasch. „Meine Aufgabe als Pfarrer ist es oftmals zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln und zu versuchen eine zukunftsweisende Lösung zu finden, gemeinsam. Zukunftsweisend heißt, dass es möglichst eine Lösung ist, mit der alle leben können. Wenn aber einer abgebaggert wird, kann er damit nicht leben und er muss woanders leben. Wenn einer seine Arbeit verliert, kann er damit nicht leben und er muss umziehen“, beschreibt der Pfarrer, für den mittlerweile eine Sonderpfarrstelle geschaffen wurde zur Seelsorge für die Braunkohleregion im Kirchenkreis Cottbus und um sich dafür einzusetzen, dass die christliche Aufgabe der Bewahrung der Schöpfung nicht aus dem Blick gerät.

Zum Interview mit Matthias Berndt

Dorfladen
Dorfladen des Kleintierzuchtvereins Kerkwitz

Zum Umgang mit der belastenden Situation gehört allerdings auch die Tagebauproblematik manchmal ausblenden zu können. So gibt es zum Beispiel bei Festen wie dem Maibaum-Aufstellen und dem anschließenden Dorffest die Absprache das Thema zu vermeiden, was mehr oder weniger gut gelingt. Wahrscheinlich ist dieses Vermeiden des Themas notwendig um als Gemeinschaft und auch als einzelner Mensch die Situation durchzustehen. Auch bei der Eröffnung des neues neuen Dorfladens in Kerkwitz blieb das Thema weitgehend ausgeklammert obwohl sogar der Ministerpräsident zu Besuch kam. Es ist wohl als positives Zeichen zu verstehen, dass der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke dem Dorfladen des Kleintierzuchtvereins Kerkwitz bei der Eröffnung am 1. Mai ein viele Jahre und Jahrzehnte langes Bestehen wünschte.

Dorfladen-Eröffnung
Eröffnung des neuen Dorfladens in Kerkwitz (links Ulrich Schulz, rechts Ministerpräsident Dietmar Woidke)

Optimistisch ist auch Pfarrer Berndt: „Ich bin da mit Zittern und Zagen und Bangen, recht zuversichtlich, weil ich davon ausgehe, dass der liebe Gott alle Menschen mit Vernunft ausgestattet hat, also auch die Politiker.“ Monika Schulz-Höpfner sieht die Zeit auf der Seite der Bewohner von Atterwasch, Kerkwitz und Grabko. Wenn die Entwicklung der Energiewende vorangeht wird es nicht mehr zeitgemäß sein Dörfer für Braunkohle zu opfern. Aufhören mit ihrem Engagement würde sie nicht, aber sie hofft bald sagen zu können: „Jetzt arbeiten wir an der Energiewende und nicht mehr nur daran, ich will bitte meine Heimat behalten.“

Dorffest
Dorffest in Atterwasch in der Nacht zum 1. Mai

Weiter geht’s! Teil 2

Spaziergang gegen Abbaggerung
“Spaziergang gegen Abbaggerung” am 27.4.2014 von Schleife und Mulkwitz nach Rohne

Statt während der Reise immer gleich zeitnah zu berichten, habe ich entschieden alles erst nach meiner Rückkehr online zu stellen. Ich wollte an jedem neuen Ort wirklich da sein und nicht mit dem Kopf noch an einem anderen Ort.

Jetzt ist die Tour zu Ende. Dieser Blogbeitrag ist ein Wiedereinstieg in das, was ich in den letzten Wochen erlebt habe, in der Lausitz, in Berlin und auf der Insel Pellworm, und was ich in den nächsten Wochen nach und nach veröffentlichen werde.

Als ich damit begann meine Fahrradtour zum Thema Energiewende zu planen, wollte ich zuerst möglichst viele Orte besuchen, die schon sehr erfolgreich erneuerbare Energien nutzen. Ich wollte viele Positivbeispiele sammeln. Viele Beispiele wollte ich zeigen um darzustellen, dass es längst mehr als einige Leuchtturmprojekte sind. Doch um mein Projekt in einem realisierbaren Rahmen zu halten, habe ich meine Tour deutlich gekürzt. Ich kann in diesem Projekt leider nur wenige Beispiele und Aspekte zeigen. Reportagen über positive Beispiele sehe und lese ich persönlich lieber als solche, die den Zuschauer entmutigt über das übergroßen Problem zurück lassen. Doch die aktuellen Rückschritte in der Entwicklungen der Energiewende wegzulassen wäre auch nicht richtig.

Kühltürme des Kraftwerks Jänschwalde
Kühltürme des Kraftwerks Jänschwalde

Daher war es mir sehr wichtig in die Lausitz zu fahren und die Problematik kennenzulernen, vor der die Menschen dort stehen. In den strukturschwachen Landkreisen um die Tagebaugebiete Nochten, Welzow und Jänschwalde sichert der Abbau der Braunkohle und deren Verstromung viele Arbeitsplätze. Die Firma Vattenfall und die Regierungen in Sachsen und Brandenburg wollen neue Tagebauflächen genehmigen um die Kohleförderung noch für weitere Jahrzehnte zu sichern. In den letzten Jahren waren diese Pläne außerhalb der betroffenen Gebiete kaum im Bewusstsein der Menschen. Doch so langsam erfährt eine immer größere Öffentlichkeit in Deutschland und international davon, dass trotz der Energiewende immer noch Menschen ihre Dörfer verlassen sollen weil ihre Gegend für den Braunkohleabbau zerstört werden soll. Es geht um Rohne, Mulkwitz, Mühlrose, Klein-Trebendorf, Teile des Ortes Schleife, Teile von Welzow, Proschim, Lindenfeld, Grabko, Kerkwitz und Atterwasch. Betroffen sind über 3000 Menschen.

Zum Einstieg in das Thema habe ich ein Interview mit René Schuster von der Grünen Liga Umweltgruppe Cottbus geführt.

Weiter geht’s!

Freiamt
Freiamt

Jetzt geht es endlich weiter, allerdings doch nicht mit einem Twike. Auf den längeren Strecken werde ich mit dem Zug fahren und sonst weiterhin mit dem Fahrrad. Aber immerhin es geht weiter. Um Zeit aufzuholen und eine mögliche erneute Entzündung des Kniegelenks zu vermeiden fahre ich mit dem Zug. Die Bahn ist quasi meine „Brückentechnologie“.

Ich verlasse Baden-Württemberg in Richtung Lausitz. Es ist Zeit für eine erste Zusammenfassung dessen, was ich bisher über die Energiewende gelernt habe.

Beim Thema Klimaschutz und Energiewende habe ich oft gedacht, was kann ein einzelner Mensch schon tun? Klar gibt es listenweise Ratschläge wie man Energie spart. Aber der Gedanke nur einen Tropfen auf den heißen Stein beizutragen und vor allem die Trägheit, die man überwinden muss um anzufangen, und die Investionen, die am Anfang notwendig sind, halten mich und viele Menschen davon ab.

Aber die recht erfolgreiche Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland wurde zu einem großen Anteil von Einzelpersonen vorangebracht. Ursula Sladek machte in ihrer Rede bei der Demonstration „Energiewende retten“ in Freiburg deutlich, dass von den mittlerweile etwa 25% erneuerbaren Energien an der Stromproduktion in Deutschland jede zweite Kilowattstunde aus Anlagen stammt, die Bürger entweder selbst oder in Genossenschaften aufgebaut haben.

Ein gutes Beispiel dafür ist neue Windrad in Freiamt ist das von den Aufnahmen her eindrucksvollste Erlebnis meiner bisherigen Reise.
Die Menschen haben sich selbst dafür entschieden und profitieren auch selbst von der Energiegewinnung. Dies scheint der Schlüssel zu ihrem Erfolg zu sein. Gegner von zum Beispiel Windkraft gibt es in Freiamt nur sehr wenige, die Mehrheit der Bürger ist stolz auf das, was sie und ihre Mitbürger erreicht haben. Als Investoren die besten Standorte für Windkraft pachten wollten, sagten sich die Menschen einfach „Das können wir selber“ und haben ihre Pläne auch in die Tat umgesetzt. (Interviews mit Hannelore Reibold-Mench (Bürgermeisterin von Freiamt), Ernst Leimer (Förderverein für Windenergie in Freiamt) und Inge Reinbold (Bioenergie Reinbold))

„Man sollte niemals dem Glauben verfallen, eine kleine Gruppe anders Denkender hätte die Welt nicht verändert. Es war noch niemals anders“. Dieses Zitat sagte mir Johannes Büttner (mehr Fotos). In Freiburg-Ebnet baute er mit sehr viel eigner Arbeit und hauptsächlich gebrauchtem Material das Haus, in dem er zur Miete wohnt, auf Holzheizung und Solarwärme um, verwandelt den Ziergarten in einen Nutzgarten und renoviert und fährt Twikes.

Johannes Büttner
Johannes Büttner

Freiburg hat viele Vorzeigeprojekte, die weithin bekannt sind, und von Journalisten und Touristen nur so überrannt werden. Daher bin ich sehr froh, dass sich Forscher des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme Zeit genommen haben mir ein bisschen etwas über die Forschung an Solarzellen und Speichertechnologien zu erkären (Interviews mit Alma Spribille und mit Stephan Lux).
Georg Löser und Andreas Hoffmann haben mir gezeigt, wie sie ihre Häuser unabhängig von Erdöl und großen Stromkonzernen gemacht haben. Bei den Mitarbeitern von Reinhard Schwörer, der als Jugendlicher gegen den Bau des Atomkraftwerks in seinem Heimatort Wyhl protestierte und seit Ende der 1990er mit seiner Zimmerei Solaranlagen montiert, durfte ich zuschauen wie eine Solaranlage auf einem Hausdach in Rust installiert wurde.

Es geht nichts ohne die einzelnen Menschen. Das sagt auch Michael Sladek, mit dem ich in Schönau schon mal ein Interview geführt habe für die Reportage über BürgerEnergie Berlin. Engagierte Menschen sind es, die die Energiewende in vielfältiger Weise voran bringen, und die Geschichten dieser engagierter Menschen sind es, die das doch sehr technische und politische Thema Energiewende mit Leben füllen.
Energiewende kann nicht von oben herab verordnet werden und die großen Konzerne tun sich schwer damit. Es sind die Bürger, die selbst entscheiden, wie sie in Zukunft leben wollen, und auch wenn die Rahmenbedingungen schlechter werden sagen „Wir machen das!“.

Last but not least: Ein ganz herzlicher Dank an Diana Sträuber, die nicht nur die Energiewende Demonstration in Freiburg, den Kongress Energieautonome Kommune und die Flüster-Demo organisiert hat, sondern mich auch viel länger als ursprünglich geplant bei sich in Freiburg übernachten ließ.

Das neue Windrad in Freiamt wächst …

Transport eines Rotorblatts
Transport eines Rotorblatts von Elzach zur Baustelle der neuen Windkraftanlage in Freiamt/Gutach

… und auch meine Zuversicht dieses Projekt doch weiterführen zu können ist wieder größer geworden.

Aber zuerst zum Windrad. Auf der Grenze von Freiamt zu Gutach wird die sechste Windkraftanlage gebaut (Leistung 3 Megawatt). Bereits im Jahr 2012 speiste Freiamt 10 Millionen Kilowattstunden regerativ erzeugten Strom mehr ins Stromnetz ein als die Bürger und Betriebe verbrauchten. Es war sehr beeindruckend dabei zu sein wie ein fast 50 Meter langer und 16 Tonnen schweres Rotorblatt von Elzach aus, vorbei an Häusern und durch den Wald den Berg hinauf gesteuert wurde.

Seit der Gründung des Vereins zur Förderung der Windenergie in Freiamt in 1997 ist viel entstanden. Freiamt hat sein Ausbauziel schon mehr oder weniger erreicht. Neben den bald sechs Windkraftanlagen und über 300 Photovoltaik-Anlagen nutzen die Freiämter auch Solarthermie, Biogas, Erdwärme und Wasserkraft. Der wesentliche Erfolgsfaktor, neben der geeigneten geografischen Lage und den vielen Sonnenstunden, sind vor allem die Menschen aus Freiamt, die die Entwicklung selbst voran getrieben und finanziert haben.

Mehr über Freiamt erfahrt ihr in den Interviews mit
Hannelore Reinbold-Mench (Bürgermeisterin von Freiamt)
Ernst Leimer (Verein zur Förderung der Windenergie in Freiamt e.V.)
Inge Reinbold (Bioenergie Reinbold)

Die Menschen in Freiamt haben zur richtigen Zeit gehandelt. Mit der neuen Fassung des EEG wird es schwieriger werden das gute Beispiel anderen Orts nachzuahmen.

Vor allem aber braucht es Menschen mit einer zupackenden Mentalität, wie hier in Freiamt, die einfach sagen „Das können wir selber!“ und auch bei Rückschlägen weitermachen. Für die Fläche, auf der jetzt das Windrad gebaut wird, wurden Pläne für Windräder von der zuständigen Behörde in 2004 bereits abgelehnt. Erst nach dem Regierungswechsel in Stuttgart bekam der Standort die Zustimmung der Behörde und damit eine neue Chance.

Auf eine neue Chance hoffe auch ich gerade. Nach dem durchwachsenen Start meines Projekts mit Knieverletzung und verschiedenen Verzögerungen hoffe ich nun auf ein Twike. Diese eindrucksvollen kleine Elektrofahrzeuge faszinieren mich, und das nicht erst seit ich am 12.April bei der Flüster-Demo (einer Art Autokorso von Elektrofahrzeugen in Freiburg) im Twike von Johannes Büttner mitfahren durfte. Also drückt mir die Daumen, dass ich die Tour mit einem Twike fortsetzen kann. Sonst bleibt mir nur die Alternative das Fahrrad für längere Strecken im Zug zu transportieren, da mein linkes Knie immer noch bei stärkerer Belastung Ärger macht. Vor allem aber könnte ich mit einem Twike das Thema Elektromobilität selber ausprobieren. Die Energiewende geht ja nicht nur Leute an, die gerne Fahrrad fahren, sondern alle.

Twike
Twikefahrt bei “Flüster-Demo” in Freiburg

Von Zweifeln und Knieschmerzen

Lange habe ich jetzt nichts online gestellt, denn ich wollte meine Knieschmerzen und Zweifel nicht auch noch schriftlich in meinem Blog haben. Aber es hilft nichts, ich will ehrlich sein. Schon während der Testfahrt habe ich mein linkes Knie verletzt. Wenn ein Anhänger umkippt fliegt man vom Rad, das habe ich gelernt und werde es hoffentlich ab jetzt erfolgreich vermeiden können. Fakt ist, schon für die Überquerung des Schwarzwalds habe ich Schmerzmittel genommen, weil das linke Knie sonst bei jedem Tritt in die Pedale weh tat. Während der Zeit in Freiburg hatte ich keine Probleme und dachte das Knie erholt sich gut, aber ich fuhr dort auch nur kurze Strecken mit dem Fahrrad.
Die Fahrten nach Breisach, Wyhl, Rust und zurück nach Freiburg sind einfache, flache Strecken. Trotzdem begann das Knie wieder zu schmerzen, so dass ich derart langsam fahren musste, dass ich beschloss zum Arzt zu gehen. Dafür war ich am Freitag (mit dem Zug) nochmal zu Hause in Kirchheim, denn ich wollte zu einem Orthopäden, den ich kenne und dessen Rat ich selbst dann nicht ignorieren würde, wenn dies mein Projekt gefährden könnte.
Na ja, eine schnelle, sicher funktionierende Lösung hatte er auch nicht. Aber immerhin hat er mir nicht vier Wochen schonen verordnet sondern nur eine Spritze ins Knie gegeben und gesagt ich solle versuchen wie ich damit zurecht komme. Ich probiere es jetzt aus.

Aber zurück zum eigentlichen Projekt. Mit meinen Fotos und Videos, die ich bisher aufgenommen habe, bin ich noch nicht so zufrieden, was mir mindestens genauso zu schaffen macht wie die Knieschmerzen. Aber ich habe schon einige spannende Gespräche geführt: Mit Andreas Hoffmann, der ein Passivhaus in Breisach gebaut hat, mit Reinhard Schwörer aus Wyhl, der mit seiner Zimmerei Solaranlagen montiert, mit Karin Schneider, Alma Spribille und Marco Tranitz vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg und mit Georg Löser, der schon 1987 ein energieautarkes Haus gebaut hat und ganz ohne Anschluss ans Stromnetz auskommt. Außerdem war ich heute in Freiamt wo mir die Bürgermeisterin Hannelore Reinbold-Mench und Ernst Leimer vom Verein zur Förderung der Windenergie in Freiamt darüber erzählt haben, wie und warum Freiamt mehr Energie erzeugt als verbraucht. Sobald die Interviews fertig sind werde ich hier auf der Seite eine Rubrik für Interviews einrichten.

Demonstration bei Regen

_MG_5785Wer auch bei Regen zu einer Demonstration geht, meint es vermutlich ziemlich ernst mit der Energiewende. Zwischen 1000 und 3000 Menschen (die Angaben gehen wie immer weit auseinander) folgten dem Demonstrationszug, der sich vor dem Freiburger Stadttheater formierte und durch die Innenstadt bis zum Augustinerplatz zog. „Raus aus Kohle und Atom, wir wollen Wind- und Sonnenstrom“ riefen die Demonstranten und trugen ihre nassen Transparente vorbei an Stadtbahnen und Geschäften. An der Spitze des Zuges trugen auch die Redner der späteren Abschlusskundgebung Ursula Sladek (EWS Schönau), Prof. Eike Weber (Fraunhofer ISE) und Dieter Salomon (Oberbürgermeister der Stadt Freiburg) das Fronttransparent mit der Aufschrift „Energiewende beschleunigen statt abbremsen“.

In ihrer Rede machte Ursula Sladek deutlich, dass die Neufassung des EEG, so wie sie bis jetzt von der Regierung vorgeschlagen wurde, die Beteiligung der Bürger an der Energiewende gefährdet und das obwohl der bisherige Erfolg der Energiewende vor allem von Bürgern getragen wird. Jede zweite Kilowattstunde erneuerbare Energien stamme aus Anlagen, die Bürger entweder selbst oder in Genossenschaften aufgebaut haben. Die aktuellen Pläne der Bundesregierung gefährden Projekte, die derzeit in Planung sind und in die Bürger viel Geld und Engagement investiert haben.

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Ein großes Thema der Kundgebung waren der Strompreis und die EEG-Umlage. „Uns wird vorgegaukelt, Atom- und Kohlestrom seien günstiger als die erneuerbaren Energien. Würde man die externen Kosten dieser Technologien so transparent wie bei den erneuerbaren Energien auf die Stromrechnung schreiben, dann würde heute schon jeder Stromkunde sehen, dass die erneuerbaren Energien auch mit ihren Preisen durchaus konkurrenzfähig sind,“ erklärte Ursula Sladek. Sie machte deutlich, dass die EEG-Umlage und mit ihr der Strompreis nicht wegen dem Zubau von erneuerbaren Energien steigen, sondern wegen den Befreiungen der Großindustrie und wegen dem Rückgang des Strompreises am Strommarkt durch die sinkenden Preise bei Wind- und Solarstrom. „Wenn die Neufassung des EEG so umgesetzt wird wie geplant, wird es im Jahr 2030 noch alle bestehenden klimagefährdenden Kohlekraftwerke geben. Es wird keines vom Netz gehen. Auch der Atomausstieg steht wieder auf der Kippe“, gibt Ursula Sladek zu bedenken und fragt ob die Regierung die Energiewende überhaupt will oder ob die sogenannte „Strompreisbremse“ in Wirklichkeit dazu dient, die Energiewende scheitern zu lassen.

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Auch in der Rede von Prof. Eike Weber war die EEG-Umlage und die Solidarität bei der EEG-Umlage ein zentrales Thema. Außerdem zeigte er auf, warum die Kritik an erneuerbaren Energien zeitgleich mit deren Erfolg gewachsen ist: „Vor fünf Jahren gab es noch keinen, der laut irgendetwas gegen das Thema hatte. Damals musste man für den Sonnenstrom 20 bis 30 cent pro Kilowattstunde bezahlen. Das war ja schrecklich teuer. Gut dass die Klimaschützer und die Klimaengagierten sich darum kümmerten. Heute kostet der Sonnenstrom die Hälfte von dem Strom aus der Steckdose, und das ist die Herausforderung für die großen Konzerne. Das ist der Grund warum unglaublich viel Geld mobilisiert wird gegen die Energiewende.“

Oberbürgermeister Dieter Salomon ging in seiner Rede unter anderem auf die Erfolgsgeschichte der Energiewende in Deutschland und speziell in Freiburg ein: „Der Begriff Energiewende, der kommt aus Freiburg. Den hat das Freiburger Ökoinstitut 1980 schon in einem Buch gefordert. Die Energiewende, die die Bundesregierung jetzt macht, die hat leider über 30 Jahre Verspätung.“ Mit Blick auf die vielen Jahre und Jahrzehnte des Protests machte er auch deutlich, dass Demonstrationen wie diese mit zu der Entwicklung beigetragen haben und immer noch nötig sind um der Bundesregierung zu zeigen, wie wichtig das bereits in über 50 Ländern der Welt erfolgreich kopierte Erneuerbare-Energien-Gesetz ist.

Ein Blick in die Medien zeigt, dass an diesem Tag über 30 000 Menschen in Deutschland für die Energiewende auf der Straße waren.