Sorry, this interview is not translated yet, please come back later to check for an English translation.
Ich bin René Schuster. Ich bin bei der Grünen Liga in Cottbus aktiv, bei der Umweltgruppe Cottbus und beschäftige mich schon einige Jahre mit dem Thema Braunkohletagebau in der Lausitz. Das Bündnis „Strukturwandel jetzt – kein Nochten II“ hat hier in Rohne heute einen Protestspaziergang veranstaltet durch die Dörfer Schleife, Rohne und Mulkwitz um auf deren Gefährdung aufmerksam zu machen. Diese Dörfer sollen abgebaggert werden und umgesiedelt für den Braunkohletagebau. Der Tagebau Nochten nähert sich dieser Region hier von Süden und er würde in den nächsten 10 bis 20 Jahren Mulkwitz, Rohne, Mühlrose komplett und Teile von Schleife abbaggern. Das heißt vorher müssten die Menschen hier wegziehen. Das betrifft etwa 1700 Menschen.

Wieviel Braunkohle wird noch gebraucht?
Wieviel Braunkohle noch gebraucht wird ist leider nicht dieselbe Frage wie was zum Abbau genehmigt wird und was tatsächlich abgebaut wird. Die Konzerne, die daran verdienen, in diesem Fall ist das Vattenfall, versuchen natürlich ein möglichst großes Stück vom Strommarkt abzubekommen. Es wird auch kräftig Strom exportiert. Wieviel wirklich gebraucht wird, ist eine ganz andere Frage. Wir gehen davon aus, dass wir schrittweise aus der Braunkohle aussteigen können, und dass wir diesen schrittweisen Ausstieg, diesen Übergang zum erneuerbaren Zeitalter mit der Kohle machen können, die in den schon genehmigten Tagebauen vorhanden ist. Das ist mehr als eine Milliarde Tonnen Kohle. Zusätzliche Tagebaufelder wie hier Nochten II werden nicht mehr benötigt.
Wie lange reicht die Kohle aus den schon genehmigten Flächen?
Wenn man den Verbrauch an Kohle schrittweise reduziert, die ältesten und klimaschädlichsten Kraftwerke zuerst abschaltet, dann kann man die vorhandenen, zum Abbau genehmigten Kohlevorräte bis 2040 strecken. Wenn man das nicht macht und sie so schnell wie möglich verbrennt und neue Felder aufschließt, dann würde man bis über das Jahr 2050 hinaus Braunkohle verstromen. Das ist das, was Vattenfall vorhat. Wenn sie dann noch anfangen ein neues Kraftwerk zu bauen, dann ist man schnell beim Jahr 2070, und das ist natürlich etwas, das sich mit den Zielen der Energiewende und des Klimaschutzes überhaupt nicht verträgt.

Wie viel Kohle braucht es noch in einem Energiewende-Szenario und wie viel Kohle brauchen Sachsen und Brandenburg noch für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze hier?
In einem Energiewende-Szenario würde man mit der bereits zum Abbau genehmigten Kohle locker auskommen. Das hat das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ausgerechnet im vergangenen Jahr. Da würde wahrscheinlich noch Kohle liegen bleiben aus den jetzt genehmigten Tagebaufeldern, wenn man rechtzeitig nur so viel Braunkohle verstromt wie wirklich benötigt wird und nicht so viel, wie man vielleicht verkaufen kann. Das ist der große Unterschied zwischen dem, was Vattenfall plant, und dem, was wir fordern. Die Zahl der Arbeitsplätze in der Lausitz, die an der Braunkohle hängen, ist jetzt schon im Rückgang begriffen. Das würde auch dann weitergehen wenn man alle neuen Tagebaue aufschließt, die Vattenfall plant. Es gibt offizielle Studien der Landesregierung Brandenburg, dass man bis zum Jahr 2030 auch dann weiter Arbeitskräfte abbauen würde.

In wie weit ist diese Situation im Bewusstsein der Menschen?
Im Bewusstsein der Menschen ist das leider überhaupt nicht. Da wird immer mit Zahlen an Arbeitsplätzen argumentiert, die aus der jüngeren Vergangenheit stammen und mit zweifelhaften Methoden immer ein bisschen größer gerechnet werden als sie eigentlich sind. Die Rede ist von 20 000 oder 30 000 Arbeitsplätzen. Da sind schon alle möglichen Betriebe mitgerechnet, die nicht direkt an der Kohle hängen, sondern wo die Bergleute vielleicht ihr Geld ausgeben. Es hat also niemand gezählt, wie viele Arbeitsplätze an der Braunkohle hängen. Es gibt Rechenmodelle, wo man aus dem Auftragsvolumen, das Vattenfall an Unternehmen vergeben hat in den Jahren zuvor, eine rechnerische Zahl ermittelt wie viele Arbeitsplätze das wohl schaffen könnte. Das ist ein sehr manipulationsanfälliges Modell.

Wenn der Umstieg auf erneuerbare Energien das Ziel ist, wie sinnvoll ist Kohle als Brückentechnologie?
Braunkohle ist als Brückentechnologie denkbar ungeeignet denn sie ist der klimaschädlichste Brennstoff, den wir überhaupt auf der Welt haben. Für eine Kilowattstunde Strom muss ich mehr als ein Kilogramm CO2 emittieren. Das passiert eigentlich bei keinem anderen Brennstoff in der Verstromung. Gaskraftwerke sind eine sehr viel sinnvollere Brückentechnologie, nicht nur weil sie klimafreundlicher sind, sondern auch weil sie flexibler geregelt werden können und weil man sie in kleineren Einheiten bauen und dadurch mehr Wärme nutzen kann. Kraft-Wärme-Kopplung ist ein wichtiger Aspekt der Energiewende. Braunkohlekraftwerke stehen immer so allein auf der grünen Wiese und geben zwei Drittel der Energie, die in der Kohle steckt, als Wärme an die Umgebung ab. Das kann man nicht grundsätzlich ändern, weil es so große 1000 Megawatt Blöcke sind. Man weiß dann einfach nicht wohin mit der Wärme wenn die Kraftwerke draußen auf dem Land stehen. Mit kleinen flexiblen Gaskraftwerken in Kellern der einzelnen Wohnblocks kann die frei werdende Wärme auch genutzt werden als Heizenergie. Gas hat natürlich auch noch den großen Vorteil, dass das Gasnetz, was wir schon haben in Deutschland, eigentlich ein riesiger Energiespeicher ist. Man sagt immer Strom kann man nicht speichern. Gas bringt schon die optimalen Speichervoraussetzungen mit. Wenn die Windstromeinspeisung steigt oder sinkt, können die Gaskraftwerke am besten damit umgehen. Deswegen herrscht jetzt ein riesiger Verteilungskampf, bei dem die Braunkohlekraftwerke versuchen Gaskraftwerke aus dem deutschen Markt zu verdrängen, um noch überleben zu können.

Wie kommt das, dass durch die erneuerbaren Energien jetzt auch wieder mehr Kohlestrom auf dem Strommarkt verkauft wird?
Es wird mehr Kohle verstromt, aber der Gewinn dabei ist auch gesunken weil der Grosshandelspreis für Strom stark im Keller ist, so dass alle klassischen Stromkonzerne eigentlich sehr viel weniger Geld verdienen als noch vor zehn Jahren. Kohle ist noch der Billigste von den fossilen Energieträgern. Das hat aber auch damit zu tun, dass sie an verschiedenen Stellen vom Staat begünstigt wird, also subventioniert kann man sagen. Zum Beispiel Wassernutzungsentgelt, wenn ich Grundwasser entnehme muss ich normalerweise dafür Geld bezahlen. Ein Wasserwerk zahlt in Brandenburg 10 Cent pro Kubikmeter abgepumptes Grundwasser und Vattenfalls Tagebau zahlt nichts. Das ist ein Beispiel für so eine Subventionierung der Braunkohle. Die Folgeschäden, die nach so einem Braunkohletagebau entstehen und wer diese trägt, das ist teilweise nicht geklärt, und auf jeden Fall nicht eingepreist.
Wie kommt es dann, dass es oft gerade von Seite der Energiekonzerne heißt, dass Braunkohle-Strom subventionsfreier Strom wäre?
Das ist schlichtweg eine Lüge mit der Subventionsfreiheit. Wir sehen es am Beispiel der Wassernutzungsentgeltfreiheit. Diese gesetzliche Ausnahme, die in den Braunkohleländern Sachsen und Brandenburg gilt, dazu sagen die Gerichte ganz klar: „Das ist eine Subvention“. Es gibt noch andere Begünstigungen. Es wird zum Beispiel keine Förderabgabe erhoben. Wenn man einen Bodenschatz fördert muss man normalerweise 10 Prozent des Marktwertes an den Staat bezahlen, auch davon ist die Braunkohle befreit. Was Braunkohle letztlich an Klimaschäden langfristig verursacht, was für Schäden am Wasserhaushalt vielleicht 50 Jahre nach dem Abbau noch zu Tage treten können, all diese Sachen sind nicht eingepreist.

Was sind die Unterschiede in den drei Tagebaugebieten, die erweitert werden sollen?
Also wir haben eigentlich fünf drohende neue Tagebaue, nur sind drei davon bereits in einem Planverfahren, so dass es dort konkret ist für die Menschen. Man kann sagen im Bereich Jänschwalde Nord, in den Dörfern Grabko, Kerkwitz und Atterwasch, da ist das Verständnis für den Bergbau beziehungsweise die Akzeptanz am geringsten, weil dort der Bergbau nicht so über Generationen verwurzelt ist wie in anderen Regionen der Lausitz. In der Gegend um Hoyerswerda herum, da ist es so, dass in vielen Familien schon der Großvater in der Kohle gearbeitet hat. So etwas gibt es im Raum Guben im Grunde genommen nicht. Damit hängt es denke ich auch zusammen, dass die Leute dort am geschlossensten gegen den Tagebau auftreten. Es hängt auch damit zusammen, dass in den Gebieten Nochten und Welzow die Absicht abzubaggern schon länger bekannt ist und Vattenfall es auch gründlicher vorbereitet hat die Kommunalparlamente ein bisschen zu durchsetzen und die Dörfer mit Sponsoring und anderen Aktivitäten untertan zu machen.
Nachdem es in Welzow sehr lange relativ ruhig war, hat sich dann vor zwei Jahren plötzlich ein sehr viel stärkerer Widerstand entwickelt als das alle erwartet haben. Das heißt, dass auch dort, wo es anfangs nach Akzeptanz für den Bergbau aussieht, auch noch massiver Widerstand auftreten kann sobald die Leute genauer verstehen, was da auf sie zukommt. Ich habe damit selber nicht gerechnet, was da jetzt in Proschim und in Welzow an Widerstand besteht. Auch hier in Rohne war es lange Zeit relativ ruhig und seit zwei Jahren haben die Leute begonnen sich zu wehren. Es hat viel damit zu tun, dass ihnen über viele Jahre eingeredet wurde: „Man kann sowieso nichts gegen den Bergbau machen“. Wir haben jetzt eben auch Beispiele gesehen wo Vattenfall große Niederlagen erlitten hat. Zum Beispiel diese CO2-Verpressung, die sie in Brandenburg geplant hatten, das ist ja nördlich angrenzend gewesen an das Kohlerevier in Beeskow. Vattenfall hat dort überhaupt keinen Fuss auf den Boden bekommen und musste wieder abziehen. In den letzten Jahren ist der Widerstand stärker geworden, auf jeden Fall.

Kann man abschätzen wie viele von den Betroffenen wegziehen wollen und wie viele bleiben wollen?
Das kann man nicht abschätzen. Es ist natürlich in einem bedrohten Dorf so, dass es immer beide Gruppen gibt. Das Verhältnis zueinander kann sich auch ändern. Es gibt immer Wortführer in einem Dorf, deren Haltung man gleich sehen kann. Bei vielen Leuten sieht man sie aber nicht. Da diese Bedrohung durch den Tagebau ein jahrelanger Prozess ist können sich Leute da auch entwickeln, in die eine wie in die andere Richtung.
Gibt es Bevölkerungsgruppen, die eher dafür oder eher dagegen sind?
Das geht nach meiner Erfahrung quer durch alle Bevölkerungsgruppen. Es gibt auch Vattenfall-Angestellte die gegen die Abbaggerung sind, die dann natürlich nicht das Bedürfnis haben öffentlich als Wortführer in Erscheinung zu treten. Aber auch diese Leute denken kritisch über die Abbaggerung nach. Also es ist ganz schwer eine Prognose abzugeben, wer welche Rolle einnehmen wird wenn ein gewachsenes Dorf plötzlich so einer Bedrohungssituation ausgesetzt ist.

An welchem Punkt der politischen Entscheidungsfindung sind die drei Tagebaue zur Zeit? Welche Entscheidungen sind schon gefallen und welche stehen noch an?
Hier zum Tagebau Nochten II wurde der Braunkohlenplan verabschiedet und von der Landesregierung in Dresden genehmigt. Vattenfall wird jetzt ganz konkrete Schritte zur Umsiedlung ergreifen und auch den bergrechtlichen Antrag für den Tagebau einreichen bei den Bergbehörden. Hier wird es jetzt um die Fragen eines Klageverfahrens gehen. Gegen den Braunkohlenplan kann man Klage einreichen und zum Rahmenbetriebsplan wird es erst noch eine Öffentlichkeitsbeteiligung geben.
In Welzow ist es noch nicht ganz so weit. Da will die Landesregierung aber den Braunkohlenplan noch vor der Sommerpause verabschieden. Man muss sehen ob sie das tun wird, und wenn sie das tut, dann ist dort die Lage auch so, dass dann ein Klageverfahren vor Gericht beginnen wird.
Jänschwalde Nord ist noch nicht so weit im Verfahren. Dort ist noch kein Planentwurf öffentlich ausgelegt worden. Da kann die Landesregierung, wenn sie vernünftig ist, das Planverfahren noch vor diesem Schritt abbrechen.
Sollte es zu einer Umsiedlung kommen, wie läuft das ab? Wie kann man gewachsene Strukturen an einen anderen Ort transportieren?
Es gibt immer eine Rahmenvereinbarung, die Vattenfall mit der Kommune versucht auszuhandeln, und dann sind die Leute anschließend gezwungen privat auch zu verhandeln. Oder wenn sie das nicht tun, dann droht die Enteignung. Das heißt Vattenfall beantragt dann beim Bergamt die bergrechtliche Grundabtretung. Dagegen kann man sich noch gerichtlich wehren. Der Fortschritt, den man in den letzten 20 Jahren in Deutschland erzielt hat, ist, dass man sich inzwischen gerichtlich schon gegen den Braunkohlenplan wehren kann. Früher war es tatsächlich so, dass man erst vor Gericht gehen konnte, wenn das eigene Grundstück enteignet wurde, und vorher gar nicht prüfen lassen konnte, ob das rechtmäßig ist. Da haben die Gerichte inzwischen sehr viel weiter gedacht. So eine Situation wie in Horno, dass der Bagger 50 Meter vom bewohnten Wohnhaus entfernt steht und die Bergleute dann sozusagen direkt den Bewohner bedrohen, so eine Situation wird nicht mehr möglich sein, weil das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, dass das nicht verfassungsgemäß war. Leider zu spät für den Herrn Domain, der damals da gewohnt hat.

2 thoughts on “René Schuster – Grüne Liga”
Comments are closed.