Ernst Leimer – Windenergie in Freiamt

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Das sechste Windrad in Freiamt wird zur Zeit gebaut.
Das sechste Windrad in Freiamt wird zur Zeit gebaut.

Wie kam es, dass Freiamt anfing Windräder zu bauen?

Mein Name ist Ernst Leimer. Ich bin der Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Windenergie hier in Freiamt und begonnen hat die ganze Geschichte 1996. Da kam eine Planungsfirma und wollte hier in Freiamt sich die Flächen sichern. Freitagnachmittag kurz erklärt was es für den Standort gibt pro Anlage und am Montag Vertragsunterzeichnung. Daraufhin haben wir uns zusammengetan, wir das sind die Landwirte hier vor Ort, und haben uns Gedanken gemacht wie wir das in Eigenregie machen könnten. Daraufhin haben wir einen Mast gebaut um hier Windmessungen durchzuführen um auch sicher zu sein, dass es sich wirtschaftlich lohnt hier Windräder aufzubauen. Wir haben den Verein zur Förderung der Windenergie gegründet um einfach nicht nur als ein paar Spinner, die etwas bewegen wollen, dazustehen, sondern die ganze Sache einfach auf breite Basis zu stellen. Wir haben dann den Gemeinderat und den Bürgermeister damals vor Ort eingeladen um zu sondieren ob wir Zustimmung bekommen für unser Projekt. Das war schnell ein „Ja, da könnt ihr mal weitermachen“. Die Entscheidungsträger von der Baurechtsbehörde, Forst, Naturschutz, alle haben hier vor Ort eingeladen und gesagt was wir hier vorhaben. Das was 1997/98. Dann haben wir Windmessungen durchgeführt, einen Mast gebaut, zuerst einen 10-Meter-Mast und dann mit 50 Meter Höhe und haben über drei Jahre Windmessungen durchgeführt, die uns bestätigt haben, dass ein wirtschaftlicher Betrieb hier oben möglich war.
Die Anlagen wurden dann etwas größer als damals 1997 die größten Anlagen waren und für uns kleine Freiämter mit vielen Millionen umzugehen war eine Nummer zu groß. Wir haben uns mit der Firma Ökostrom in Freiburg zusammengetan. Mit der Firma haben wir bisher alle Projekte durchgezogen und so kam es dazu, dass 2001 die ersten Anlagen in Betrieb gingen. Das sind zwei Anlagen mit jeweils 1,8 Megawatt Leistung. 2004 kam eine weitere Anlage in Verbindung mit Photovoltaikanlagen hinzu, denn ein schlechtes Windjahr ist in der Regel ein gutes Sonnenjahr und so hat es sich ganz gut ergänzt. 2011 kam die nächste Anlage dazu mit 2,3 Megawatt Leistung und mit 139 Meter Nabenhöhe weil sich herausgestellt hat, dass in größeren Höhen der Wind gleichmäßiger weht. Das haben wir im ersten Betriebsjahr gesehen als die Prognose deutlich überschritten wurde und das war dann für uns auch Anlass weiterzumachen. Aktuell wird eine neue Anlage mit 133 Meter hier gebaut, die soll 3 MW Leistung haben und im Jahr knapp 6 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren.

Sie waren damals ein Pionier. Gab es Vorbilder oder wie überlegt man sich einfach „Das können wir doch selber“?

Wir haben uns gesagt, wenn hier in Freiamt Windräder stehen sollen, dann soll es so sein, dass die nicht irgend jemandem gehören, der hier vielleicht sein Steuersparmodell praktiziert, sondern dann soll es so sein, dass die Bürger hier vor Ort mit einem überschaubaren Betrag sich daran beteiligen können. Die Identifikation der Bürger mit ihrer Windkraftanlage war uns von Anfang an ganz wichtig und deswegen haben wir uns entschieden die Sache selber in die Hand zu nehmen. Ich selber befasse mich schon seit 1986 mit dem Thema Windkraft und bin auch seit damals im Bundesverband Windenergie Mitglied um so immer an die neuesten Informationen zu kommen. Bei mir hat es irgendwann an der Nordsee mal Klick gemacht und es hat mich seither nicht mehr losgelassen Windkraft als gute Sache zu sehen.

Das heißt Sie hatten die Idee schon bevor die Investoren kamen, die hier Windkraftanlagen bauen wollten?

Das ist richtig. Nur mit den Landwirten hier oben hatte ich davor noch kein Gespräch in diese Richtung. Ich hatte auf dem elterlichen Hof schon probiert Windräder zu bauen, aber das liegt nur auf 450 Höhenmetern und ein wirtschaftlicher Betrieb wäre dort nicht möglich gewesen.

Anderen Orts sind die Leute sehr kritisch gegenüber Windrädern. Warum funktioniert das hier in Freiamt?

Vielleicht funktioniert es hier weil es aus der Gemeinde heraus entstanden ist. Würden die Windräder einem Investor gehören, ich denke da wäre die Akzeptanz nicht so groß. Wir haben Schritt für Schritt begonnen, zuerst zwei Anlagen, dann wieder eine dazu. Wenn wir damals gesagt hätten nach Freiamt kommen sechs Windräder hätten wir sicherlich diese Akzeptanz nicht gehabt. Die Bevölkerung mitnehmen bei solchen großen Projekten, die selbstverständlich in der Landschaft sichtbar sind, das Bild verändern, ist deswegen ganz wichtig. Während den Windmessungen haben wir informiert und auch später immer wieder.

Was können andere von Freiamt lernen oder ist das eine südbadische Besonderheit?

Ich weiß nicht, ob das eine südbadische Besonderheit ist. Ich denke wenn etwas von der Bevölkerung aus entsteht hat es mehr Erfolg als sich von oben herab irgendwie dirigieren zu lassen was man zu tun hat. Das ist vielleicht die Mentalität hier in Südbaden, dass man gerne selber etwas in die Hand nimmt, selber was durchzieht, beharrlich bleibt, und nicht wenn es mal einen kleinen Rückschlag gibt gleich aufgibt sondern auch bei einem Widerstand versucht das zu glätten bevor ein großer Widerstand daraus wird. Die Akzeptanz hochhalten und durch Information die Bürger mitnehmen bei solchen Projekten.

Hatten Sie schon von Anfang an das Fernziel im Kopf, dass das mal über 100 Prozent erneuerbare Energien sein könnten in Freiamt? Hier gibt es ja jetzt fast keine Energieform, die es nicht gibt.

Die Windkraft hat natürlich einen sehr großen Anteil hier in Freiamt, aber auch die Photovoltaik-Anlagen. Es gibt inzwischen über 300 Photovoltaik-Anlagen in Privathand. Auch hier haben wieder die Bürgern es selbst in die Hand genommen, haben investiert, sind ein Risiko eingegangen. Aber man hat sich natürlich zuerst informiert wie groß ist das Risiko, und man nimmt auch nicht jede Firma, die nur billige Produkte verkauft, sondern Qualität, die sich dann auch auszahlt im Ertrag. Die Biogas-Geschichte hat etwa parallel mit Windkraft begonnen. Da war das Genehmigungsverfahren auch nicht einfacher wie bei uns mit Windrädern. Wasserkraft gab es schon lange. Vor vielen Jahren gab es hier in Freiamt 26 Wasserkraftanlagen, Kleinkraftanlagen mit eineinhalb, zwei, drei, vier kW Leistung. Heute gibt es noch vier Anlagen hier in Freiamt, die auch ihren Beitrag leisten zur Stromproduktion.

Aus welcher Zeit sind diese Wasserkraftanlagen?

Die Wasserkraftanlagen werden natürlich immer wieder gewartet oder teilerneuert. Aber die Wasserrechte, die sind schon Hunderte von Jahren alt und waren früher für Mühlen. Die Mühle in Reichenbach hat ein Wasserkraftwerk. Am Sägplatz gibt es ein reaktiviertes mit neuer Leitung und neuester Technik drin. In Keppenbach gibt’s ein Wasserkraftwerk, das im Teilbereich erneuert worden ist, und zwischen Reichenbach und Sägplatz gibt es noch ein Sägewerk, das früher für die Säge das Wasser genutzt hat und jetzt eine Turbine laufen lässt und hiermit auch Strom produziert. Das schadet dem Wasser nicht, im Gegenteil es wird wieder Sauerstoff durch die Verwirbelung in das Wasser eingebracht, was auch für die Lebewesen im Bach wieder förderlich ist.

Ist die Obergrenze der Nutzung erneuerbarer Energien in Freiamt erreicht oder wird noch weiter geplant?

Es wird immer wieder überlegt, Stück für Stück, so wird das auch weitergehen. Der nächste Schritt wird wahrscheinlich sein, dass die ersten Windkraftanlagen, die hier stehen, durch leistungsstärkere zu ersetzen. Also diese Überlegung ist vorhanden. Die Windräder laufen immerhin schon seit 13 Jahren. 20 Jahre gibt es den garantierten Einspeisepreis und da muss man sich frühzeitig Gedanken machen wie es weitergeht, ob man die Anlagen weiterlaufen lässt oder ob man sie durch leistungsfähigere ersetzt.

Was denken Sie warum viele Projekte zu erneuerbaren Energien gerade in der Region Südbaden angefangen haben?

Also durchaus möglich könnte sein, dass die Pläne das Atomkraftwerk in Wyhl zu bauen bei vielen in den Köpfen noch drin sind. Man hat hier nein gesagt zur Atomkraft in dieser Region weil die Landschaft einfach zu schön ist für solch ein großes Risiko. Über dem Rhein drüben in Fessenheim, das man von hier bei gutem Wetter auch sieht, steht ein Atomkraftwerk, das älteste übrigens in Frankreich. Wenn dort etwas passiert ist diese schöne Landschaft dahin. Und das wussten viele Bürger, also nicht nur Ökoleute sondern auch Landwirte, die hier schon seit Generationen die Reben hegen und pflegen und die Kulturlandschaft hier offen halten, Sie wissen, dass das ein hohes Gut ist, auf das man nicht verzichten möchte. Und daraus ist vielleicht auch das entstanden, dass man einfach verbunden ist mit der Natur. Man kennt die Unwegsamkeiten der Natur. Freiamt ist fast rund herum mit Wald umgeben. Als es noch keine Autos gab und man noch nicht so mobil war da musste man sich hier mit der Natur verbinden und daran liegt denke ich auch die Liebe zur Natur und der Stellenwert die Natur zu erhalten ist daraus entstanden. Vielleicht wurde das auch über die Gene weitergegeben für die nächsten Generationen.

Das Argument Natur wird an manchen Orten auch gegen den Bau von Windrädern verwendet. Sehen die Menschen das hier anders mit Landschaftsschutz und Naturschutz?

Ich denke man hat erkannt, was man hier für Schäden hätte durch ein Atomkraftwerk und setzt das in Relation mit dem Anblick eines Windkraftrades. Es ist eine Industrieanlage, die vorher nicht in der Landschaft stand. Es gab früher keine Stromleitungen, die durchs Land zogen, es gab nicht so viele Gebäude, die Straßen, alles verändert unsere Landschaft. Hier wird die Landschaft verändert, und ich denke zum Guten, weil wir hier Strom produzieren auf saubere Art. Wir produzieren keine Abfälle mit unserer Stromproduktion, und ich denke das ist es, was dann die Leute dazu animiert die Sache gut zu finden und auch zu sagen, jawohl ich habe ein bisschen Geld übrig, ich investiere in Freiamt und beteilige mich an den Anlagen. Somit gehört auch ein kleines Stück mir. Oft hört man Bürger von Freiamt außerhalb erzählen von „unseren Windrädern“ auch wenn sie nicht daran beteiligt sind. Das ist auch ein Stück Identifikation mit Heimat. Wir haben etwas erreicht in Freiamt, ein gewisser Stolz geht da vielleicht auch mit bei manchen.

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Hier ist sind die erneuerbaren Energien langsam gewachsen. Durch die geplante Reform des EEG geht die Energiewende vielleicht aus der Hand der Bürger in die Hand der Konzerne. Was denken Sie funktioniert langfristig besser?

Wenn man die Energieversorgung in Bürgerhand lässt, denke ich, wird es langfristig besser funktionieren. Es ist sonst so, dass wieder die Großen das Geschäft machen und die Kleinen können wieder bezahlen. Was man in Bürgerhand lassen kann, sollte man in Bürgerhand lassen. Wenn sowas entsteht wie hier in Freiamt oder auch in anderen Gemeinden von Bürgern, die einfach ein bisschen Geld übrig haben undinvestieren, denke ich ist es besser wenn man es auf viele Schultern verteilt und nicht nur ein paar Großaktionäre nachher wieder den Profit haben davon. Denn das Geld das hier erwirtschaftet wird und wieder zurück geht wird auch hier vor Ort wieder investiert. Zum einen die Pachtzahlungen, da kriegt der Landwirt was, der hält die Landschaft offen für viele die hier als Naherholungssuchende oder auch als Feriengäste nach Freiamt kommen. Wenn der Landwirt von der Landwirtschaft und einem gewissen Zubrot über Pachtzahlungen oder über Photovoltaik hier kein Einkommen mehr hat, er muss anderswo arbeiten gehen und kann nicht mehr die Landschaft offen halten für den Rest der Bevölkerung. Es geht auch nur wenn man den Bürgern vor Ort ein bisschen Geld wieder zurück geben kann von dem was hier erwirtschaftet wird. Wenn hier ein großer Konzern kommt, baut die Windräder, dann geht das Geld und fehlt in der Gemeinde.

Wie macht sich das bemerkbar?

So direkt messen ist natürlich schwierig. Was jeder mit seiner Ausschüttung macht, kann man natürlich nicht wissen. Aber auf jeden Fall es geht nicht zu den Ölscheichs. Für diesen Strom, der hier produziert wird, mussten wir kein Öl und keine Kohle von irgendwo auf der Welt zu unmenschlichen Bedingungen herfahren und verursachen auch keine Landschaftsveränderungen im großen Stil wie beim Braunkohletagebau. Man weiß, die Leute kaufen hier vor Ort ein und der Einzelhandel profitiert davon und wenn man eine Ausschüttung bekommen hat und geht mit der Familie mal essen bleibt es auch wieder in der Gastronomie hier im Ort in der Regel.

Sind hier auch Unternehmen entstanden im Bereich erneuerbare Energien?

Neue Unternehmen direkt nicht denn die Anlagen werden in Norddeutschland produziert. Diese Anlagen kommen aus Aurich und Teile davon aus Magdeburg vom Hersteller Enercon. Hier vor Ort hatte der Wegebau, hat ein hiesiger Unternehmer profitiert, der Waldwegebau und Straßenbau macht für die Anlage. Die Leute, die das Fundament betoniert haben, kamen auch hier aus der Region. Desweiteren sind natürlich auch die Übernachtungen hier in Freiamt gestiegen. Die Serviceleute, die hier die Anlage aufgebaut haben, mussten auch irgendwo nächtigen. Und jetzt ist es so, dass viele Tagestouristen hier nach Freiamt kommen, die hier die Anlagen anschauen, Informationen sich einholen, und dann in der Regel auch in einem Gasthaus hier zu Mittag essen oder Kaffee trinken und somit profitieren viele hier in Freiamt davon und wenn noch jemand Schnaps verkaufen kann an der Strecke, dann ist das noch einmal eine zusätzliche Einnahme.

Können Sie mir anhand des neuen Windrads erklären wie die Entstehungsprozess einer solchen Windkraftanlage ist?

Das neue Windrad, das hat eine ganz lange Geschichte. Es war von zehn oder zwölf Jahren schon mal Thema. Da ist eine Planungsfirma bei dem Landwirt vorstellig geworden. Sie stellen ihm hier fünf Windräder hin und sie planen alles. Er braucht gar nichts zu tun. Das wird alles gemacht. An die Umsetzung kam es dann nicht. Wir haben uns mit dem Landwirt zusammengetan, haben gesagt „Wollten wir das nicht auch in Bürgerbeteiligung machen?“. Dann haben wir versucht einen Bauantrag zu stellen für das neue Windrad. Es waren dann zwei statt fünf geplant. Auf dem Weg zu der Fläche sind wir bei einem anderen Landwirt über das Gelände gefahren und da hat edr gesagt „Schaut doch bei mir mal vorbei in meinem Waldstück“. Das war 2004. Es wurden dann die Windräder abgelehnt wurde, bei dem Landwirt, mit dem wir ursprünglich geplant hatten, weil das Landschaftsbild zu sehr beeinträchtigt werde durch die Anlage. Und so kam es dazu, dass bei dem Landwirt, wo wir nur durchfahren wollten, die Anlage schon 2004 gebaut werden konnte. Der ursprüngliche Landwirt, bei dem jetzt die Anlage gebaut wird, kam dann erst dazu durch das neue Planungsrecht. Jetzt haben die Gemeinden wieder mehr Möglichkeiten Flächen zu planen und wir konnten den Plan wieder aufzugreifen, hier einen Bauantrag zu stellen. Hier ist jetzt ein interkommunales Projekt entstanden. Der Nachbar auf der Gutacher Seite und der Landwirt hier auf Freiämter Seite haben sich zusammengesetzt und versucht hier eine Lösung zu finden, so dass jeder von der Pachtzahlung partizipiert nachher und dass die Anlage an einen Standort kommt, wo sie am wirtschaftlichsten betrieben werden kann. So kam es dazu, dass die Anlagen, die sich jetzt im Bau befindet, nach seit den ersten Überlegungen 12 oder 13 Jahren, jetzt zur Realisierung kommen konnte.

Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

Mein Wunsch wäre, dass sich der Ausbau der Erneuerbaren weiterhin so fortsetzt, behutsam, in Bürgerhand, und dass wir uns später von den nächsten Generationen nicht nachsagen lassen müssen „Ihr wusstet um die Probleme des Klimawandels. Ihr hattet die Technik um dagegen zu steuern und ihr habt nichts getan“. Das möchte ich mir nicht nachsagen lassen und deshalb bin ich auch weiterhin für den Ausbau in Bürgerhand der erneuerbaren Energien hier in Deutschland.

Ernst Leimer
Ernst Leimer

Erneuerbare Energien in Deutschland