
Ich bin Antje Walter, ich bin 32 Jahre alt, Ergotherapeutin von Beruf und ich lebe jetzt hier auf dem Hof seit 4 Jahren. Ich habe eine Tochter und Christoph Schulz als Lebensgefährten, nächstes Jahr dann hoffentlich Ehemann.
Viele scheuen sich ja eher davor einen Bauernhof zu übernehmen, selbst wenn nicht so eine Unsicherheit wie die drohende Abbaggerung im Raum steht. Was hat dich und Christoph dazu bewogen auf dem Hof zu leben?
Für mich war das neu, ich komme aus einem Gesundheitsfachberuf. Ich habe Christoph so kennen gelernt wie er ist, der ist mit Leib und Seele Landwirt und ich denke, wenn ich das nicht akzeptiert hätte, dann wären wir nicht zusammengekommen. Ich denke bei ihm hat die Landwirtschaft ganz hohe Priorität und er braucht einen Partner, der das akzeptiert, gerade auch den Zeitmangel. Wenn wir fünf Tage am Stück im Jahr Urlaub haben dann ist das viel.
Habt ihr euch für den Hof entschieden bevor oder nachdem ihr erfahren habt, dass Atterwasch eventuell für den Tagebau zerstört wird?
Davor. Also ich kann jetzt nur für Christoph reden. Er macht das schon seit er Kind ist und hat dann seine Ausbildung gemacht zum Landwirt, hat immer hier mitgeholfen. Das ist einfach seins, sein Lebensinhalt, neben der Familie. Das hat nichts zu tun mit der ganzen Tagebaugeschichte.
Was ist deine und was ist Christophs Bindung an diesen Ort?
Ich denke das ist die Geschichte, dass der Hof schon so lange besteht. Das müsste er wirklich selber beantworten.

Wie viele Generationen seid ihr jetzt hier?
Hier auf dem Hof sind wir vier Generationen. Von der Uroma angefangen. Uroma, Oma, Eltern, Kind. Es ist wirklich ein großer Hof mit vier Generationen.
Das ist ja wahrscheinlich auch hier in der Gegend schon etwas recht Seltenes?
Ja, ich denke auch der Zusammenhalt. Man hört ja doch oft, dass sich irgendwelche Parteien untereinander dann doch zerstreiten. Aber ich denke das harmoniert hier ganz gut. Es gibt immer irgendwelche Diskrepanzen, aber letztendlich kann man sich aufeinander verlassen und ist auch dankbar dafür, dass das so ist wie es ist.
Es ist zum Beispiel immer mittags so, dass alle zusammen mittagessen. Meine Schwiegermama in spe kocht für alle. Wenn die Fleischerei offen hat sind die Fleischer alle mit drin, es sind die Landwirte mit drin. Wenn die nicht rein können, weil sie gerade auf dem Feld zu tun haben, dann wird das Essen rausgebracht. Wenn gerade die Erntezeit ist, dann sitzt man doch noch mal abends bis spät abends zusammen. Das erkennt man auch daran, dass meine Tochter nicht gerade fremdelt. Die kennt’s nicht anders, die sitzt tagtäglich mit zehn Leuten am Tisch.
Ist der Dorfzusammenhalt hier ähnlich eng wie der Familienzusammenhalt?
Ich denke nicht, ich denke es geht hier schon ein bisschen in die Spaltgeschichte rein. Vom Tagebau her, es gibt ja welche, die sind dafür, welche dagegen und welche, die laufen in eine ganz andere Richtung. Das kann schon teilweise ein Streitthema sein, bei Veranstaltungen meidet man einfach das Thema. Im Großen und Ganzen ist der Zusammenhalt schon da, so wie ich das jetzt einschätze als Zugezogene.
Wie beeinflusst es den Alltag wenn man nicht weiß wie es weitergeht?
Das fängt schon an beim Thema Umbau. Wir sind jetzt eine neue kleine Familie. Man überlegt schon wie können wir umbauen, lohnt sich das? Lohnt sich der Umbau überhaupt? Viele sagen, das kriegst du ja alles entschädigt. Ja, aber es ist ja auch die Kraft, und diese Energie, die man von sich selber hineinsteckt. Ich habe meiner Tochter das Kinderzimmer bemalt, ich habe einen ganz großen Baum gemalt und habe ewig daran gesessen und mir ganz viel Gedanken gemacht und als ich fertig war habe ich so gedacht, wenn die jetzt kommen und sagen du musst hier raus? Ist ja gut und schön, dass die dir die Wände tapezieren in deinem neuen Zuhause. Aber das war meine Kraft und meine Ideen, die ich da rein gesteckt habe. Ja, es täte mir leid.

Was würde die Umsiedlung, so sie denn kommt, bedeuten für euch?
Ja, erstmal ist die Frage, wo geht es hin? Wie ist die Konstellation der Nachbarn? Ich denke so wie es jetzt ist, das wird nicht mehr sein. Der eine sagt: „Meine Kinder sind da und da, ich ziehe zu meinen Kindern.“ Der andere sagt: „Ich ziehe in jenes Dorf.“ Oder: „Ich bin alt und nehme eine Neubauwohnung.“ Dass man sich auf der Straße sieht und einfach ein Gespräch anfängt, weil man sich ja doch kennt, das wird wegfallen. Veränderung bedeutet es, vor allem Veränderung, räumlich gesehen, aber vielleicht sogar beruflich. Ich weiß nicht ob dann die Fleischerei noch weitergemacht wird. Wenn wir jetzt weiter wegziehen, meine Arbeitsstelle ist in Guben, die erreiche ich jetzt in zehn Minuten. Wie ist es dann? Der Kindergarten von meiner Tochter, der ist zehn Minuten von hier weg. Wo muss sie dann hin? Die Gefahr besteht, dass Leute einfach aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen werden und nochmal irgendwo neu Fuß fassen müssen. Es ist vor allem Veränderung. Negative Veränderung.
Ich bin aus Guben, aus Reichenbach. Wenn es da auf einmal heißen würde, dein Elternhaus kommt weg, wir haben da Kohle drunter oder nehmen es als Wendeschleife, das wäre ganz schrecklich.
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