Werner Wulf – Schleswig-Holstein Netz AG

Werner Wulf
Werner Wulf zeigt einer Gruppe den Bürgerwindpark

Mein Name ist Werner Wulf, ich bin bei der Schleswig Holstein Netz AG angestellt. Meine Aufgaben hier auf der Insel ist die technischen Anlagen für das Versorgungsunternehmen zu unterhalten, also in Stand zu halten und zu überwachen. Unter anderem eben auch das Hybridkraftwerk inklusive der Speicher hier auf der Insel.

Sind Sie schon immer hier auf der Insel oder sind sie für diese Aufgabe auf die Insel gekommen?

Ich bin hier auf der Insel geboren und bin seit 1981 in dem Unternehmen tätig und seit 1982 hier auf der Insel tätig für die Firma.

Wie haben Sie Entwicklung der erneuerbaren Energien auf Pellworm erlebt?

Es fing Mitte der 1970er Jahre schon an. Da hatten wir hier die ersten Pilotprojekte für Kleinwindkraftanlagen. Wir hatten hier so um die 10 Anlagen, die von privaten Leuten hier aufgestellt wurden, Windrosen, Windkraftanlagen mit nur einem Flügel und einem Kontergewicht. Es waren wirklich sehr abenteuerliche Anlagen, die hier damals aufgestellt wurden in der Größenordnung von 10 kW. 1983 hat die A.E.G Telefunken hier die erste Solaranlage gebaut. Die wurde dann von der Gemeinde übernommen und war ausschließlich gedacht um das Schwimmbad mit Energie zu versorgen. Dazu hatte man damals schon hier das halbe Gebäude vollgestellt mit Batterien um eben auch bedeckte Tage zu überbrücken. Das waren insgesamt 6000 Ampèrestunden und zwar mit normalen Bleiakkus. Die waren dann aber schon nach fünf Jahren defekt und nach acht Jahren waren sie gänzlich alle am Ende diese Batterien und sollten erneuert werden. Aber das war der Gemeinde dann doch zu teuer. Es sollte damals etwas um eine Million DM kosten und aus dem Grunde hat die Gemeinde diese Anlage dann an den Stromversorger abgegeben und wir haben sie dann dementsprechend umgerüstet, so dass die Energie, die hier erzeugt wird, direkt ins Netz eingespeist wird und wir diese Pufferbatterien nicht mehr brauchten. Anschließend haben wir dann 1993 die Anlage erweitert um nochmals 300 kW, also insgesamt auf 600 kW plus diese Windkraftanlage, die auch nochmals 300 kW hat. Somit hatten wir dann das größte Hybridkraftwerk Europas hier auf der Insel. Damals wie die erste Anlage gebaut wurde 1983 war es auch die größte Solaranlage Europas.

Solarfeld des Hybridkraftwerks Pellworm
Solarfeld des Hybridkraftwerks Pellworm

Ist der Standort so gut, sind die Leute so motiviert oder warum wurde Pellworm ausgewählt?

Der Standort wurde aus dem Grunde hier ausgesucht weil wir hier mit der Sonne eigentlich gleich liegen wie Freiburg ungefähr, es ist eine der sonnenreichsten Ecken in Deutschland. Dazu haben wir hier immer noch einen leichten Wind, so dass die Solaranlagen relativ gut gekühlt werden. Denn je wärmer so eine Solarplatte wird um so weniger erzeugt sie nachher an Energie. Somit haben wir praktisch zwei Sachen in einem: Wir haben einmal schön Sonne und zusätzlich einen kühlen Wind, der die Anlagen gleich wieder abkühlt, so dass die Energie-Ausbeute mittlerweile pro installiertem Kilowatt bei über 1000 kW an Leistung liegt.

Wie kam es, dass man genau Pellworm für die Innovationsstudie mit den intelligenten Stromnetzen ausgewählt hat?

Einmal weil wir hier ja schon die Anlagen haben und weil die Schleswig-Holstein Netz AG eigentlich schon immer ein gutes Verhältnis zur Insel hatte und schon viel mit der Gemeinde zusammen entwickelt hat. Vor allen Dingen stehen die Pellwormer Bürger sehr aufgeschlossen neuen Energien gegenüber. Wir haben extra noch eine Studie vorher gemacht, bevor wir die Anlage aufgebaut haben. Es sind die Bürger befragt worden und 75% waren für die SmartRegion.

Modell SmartRegion Pellworm
Modell der SmartRegion Pellworm im Besucherzentrum

Und die anderen 25%?

Die sind nicht dagegen oder haben sich eben gar nicht dazu geäußert. Also wirklich Gegenstimmen haben wir hier eigentlich überhaupt nicht.

In welchen Schritten wurde oder wird das Intelligente Stromnetz aufgebaut?

Als erstes haben wir unsere Ortsnetzstation dementsprechend umgerüstet, also vernetzt. Wir haben Trafostationen, wo von 20 000 V heruntertransformiert wird auf 400 V, also von dem übergeordneten Netz runter auf die Haushaltsspannung. Diese Stationen haben wir umgerüstet, so dass wir den Leistungsfluss an den einzelnen Stationen jederzeit überwachen können und sehen können in welche Richtung fließt jetzt der Strom. Wird momentan erzeugt und rückwärts ins Netz eingespeist oder wird etwas verbraucht? Das war der erste Schritt. Dann haben wir hier auf der Insel einen Teil der Nachtspeicherheizungen umgerüstet, so dass wir die nicht mehr ausschließlich nachts aufheizen, sondern dann wenn wir Energie im Überfluss haben. Als dritten Schritt wurden dann die Großspeicher aufgestellt hier auf dem Solarfeld. Dort haben wir eine Lithium-Ionen-Batterie, die hat eine Kapazität von 560 kW und kann maximal 1100 kW auf einmal ins Netz einspeisen pro Stunde. Die Anlage ist gedacht um kurzfristig Leistungsspitzen abzufangen oder zu überbrücken. Und wir haben hier die große Batterie, das ist eine Redox-Flow-Batterie mit einer Kapazität von 1600 kW, die kann maximal 200 kW pro Stunde abgeben, ist also für längerfristige Sachen gedacht. Als vierten Schritt haben wir dann noch elf dezentrale Speicher bei Kunden aufgebaut, die auch Solar auf dem Dach haben, so dass dort die überschüssige Energie vom Dach direkt in die Speicher fließt und dann zu Zeiten, wo keine Sonne scheint, die Kunden die Leistung wieder abrufen können um möglichst viel ihrer eigenerzeugten Energie auch selbst zu verbrauchen. Wir möchten nach Möglichkeit von der Energie, die wir hier auf der Insel erzeugen, auch so viel wie möglich selber verbrauchen um unsere eigenen Netze zu entlasten.
Das ganze läuft als Forschungsprojekt, wird momentan vom Fraunhofer Institut gesteuert. Es spielen einmal die Wettervorhersagen eine Rolle. Dann werden die Lastflüsse überwacht von den einzelnen Stationen. Diese ganzen Komponenten laufen beim Fraunhofer Institut zusammen und dementsprechend wird auch dieser Speicher gesteuert, dass wir wenn die Energie im Überfluss da ist die Batterien aufladen und zu Zeiten, wo weniger zur Verfügung ist, dann wieder rausholen.
Letztendlich können wir nur einen Teil der Energie speichern, die hier auf der Insel erzeugt wird. Wir produzieren wenn Sonne und Wind zusammenkommt fast die achtfache Leistung von dem, was wir hier selber brauchen, und davon können wir dann auch höchstens nochmal ungefähr ein Achtel hier speichern. Der Rest muss dann zum Festland geleitet werden.

Dezentraler Stromspeicher
Dezentraler Stromspeicher

Wie arbeitet eine Redox-Flow-Batterie?

„Red“ steht für Reduktion, und „ox“ das ist Oxidation. Reduktion ist Aufladen der Batterie und Oxidation Entladen und „flow“ steht für Fluss. Diese Batterie hat 110 000 Liter Vanadium-Lauge gespeichert in zwei Containern. Oben steht noch ein Container mit dem Wechselrichter, wo auch die Stacks drin sind, durch die die Flüssigkeit gepumpt wird. In diesen Stacks ist eine Halbmembran, die die Flüssigkeit getrennt hält, und in diesen Stacks findet der chemische Prozess, eben Reduktion oder Oxidation statt, wo die Flüssigkeit entweder aufgeladen oder entladen wird, je nach Flussrichtung und was für eine Spannung anliegt oben an den Stacks.

Was ist das besondere an dieser Art von Batterie im Vergleich zu Lithium-Ionen- oder Blei-Akkus?

Das Besondere ist, dass wir die Kapazität erhöhen können indem wir nur mehr Flüssigkeit nehmen. Wir brauchen also an der Technik nichts zu ändern. Wir brauchen nur mehr Flüssigkeit und haben mehr Kapazität.

In diesen Containern befindet sich die Redox-Flow-Batterie
In diesen Containern befindet sich die Redox-Flow-Batterie

Bis jetzt ist es ja nur ein Versuch. Was denken Sie wie viele Jahre dauert es noch bis diese Speichertechnologie an vielen Orten eingesetzt werden kann?

Da kann ich Ihnen wenig dazu sagen. Das hier ist ein Forschungsprojekt, das über drei Jahre läuft und aus diesen Erkenntnissen wird man sicherlich einen Schritt weiterkommen. Aber bis wann solche Anlagen auch wirklich mal wirtschaftlich werden, dass sie auf dem Markt verbreitet werden, da kann ich Ihnen wirklich noch nichts dazu sagen.

Welche Ausbaupotentiale gibt es noch auf Pellworm oder soll gar nicht weiter ausgebaut werden?

Von der Schleswig-Holstein Netz AG, was diese Anlage anbelangt, ist momentan nichts mehr geplant. Hier auf der Insel werden wahrscheinlich nächstes Jahr in dem Windpark die acht Anlagen re-powered. Dort haben wir jetzt acht Anlagen zu je 600 kW und es kommen dann drei Anlagen zu je 2,3 MW. Also eine Leistungssteigerung von 4,8 MW auf 6,9 MW.

Bürgerwindpark
Bürgerwindpark im Nordosten der Insel Pellworm

Was machen die Bürger von Pellworm noch um erneuerbare Energien voranzubringen?

Wir haben hier sehr viele Bürger, die Solar auf dem Dach haben, um die 100 Anlagen. Insgesamt haben wir ungefähr 3 MW nur an Solaranlagen, die die Bürger hier betreiben. Dann gibt es noch drei Landwirte, die Kleinwindkraftanlagen planen zu je 20 kW, die jetzt aufgestellt werden sollen, und noch einen, der hat eine kleine Windkraftanlage zu 5 kW aufgebaut. Es ist schon ganz beachtlich wie viele Pellwormer Bürger direkt mit erneuerbarer Energie zu tun haben.

Werner Wulf
Werner Wulf erklärt einer Gruppe die SmartRegion Pellworm am Modell

Erneuerbare Energien in Deutschland