
Der Gegenwind war hart und gemischt mit Regen als ich über die Halbinsel Nordstrand zum Fähranleger Strucklahnungshörn fuhr um die Fähre nach Pellworm zu nehmen. Das änderte sich auch nicht als ich auf der Insel nach Westen in Richtung der Alten Kirche mit der zum Seezeichen gewordenen Turmruine radelte. Ich hatte längst eingesehen, dass Fahrradfahren auf dem flachen Land nicht immer so einfach ist. Rückenwind ist irgendwie sehr selten und Gegenwind kann härter sein als Steigungen, vor allem viel unberechenbarer.
Dieser Wind ist aber eigentlich gerade der Grund warum ich auf die Insel Pellworm gekommen war. Im Prinzip hätte ich die Reise auch hier auf Pellworm beginnen können, denn ähnlich wie in Südbaden reichen auch auf dieser nordfriesischen Insel die Anfänge der Energiewende bis in die 1970er Jahre zurück. Das 1983 erbaute Solarfeld war damals sogar das größte Solarkraftwerk Europas und in Kombination mit der Windkraftnutzung war es einmal das größte Hybridkraftwerk Europas. Heute gibt es vielerorts deutlich größere Wind- und Solarkraftwerke. Doch auf Pellworm wird weiter Pionierarbeit geleistet in der Erprobung von Speichertechnologien und intelligenter Vernetzung.

Seit 2013 wird hier an einem intelligenten Stromnetz geforscht. Das sogenannte SmartGrid soll Produktion, Speicherung und Verbrauch erneuerbarer Energien besser auf einander abstimmen und die Schwankungen zwischen stürmischen, sonnigen und windstillen Zeiten ausgleichen. Neben der Speicherung von überschüssiger Energie in einer Redox-Flow-Batterie und Lithium-Batterien werden die Produktion und der Verbrauch von Strom analysiert. Einige Haushalte auf Pellworm erhielten ein sogenanntes Smart Meter um das Verbrauchsverhalten genauer zu erforschen und Stromspeicher für den selbst erzeugten Photovoltaikstrom vom eigenen Dach.

Aber woher kommt es, dass eine Insel wie Pellworm in Sachen Energiewende von jeher so weit vorn liegt? Auf der einen Seite sind natürlich die Bedingungen ideal, die Sonne scheint annähernd so häufig wie in Südbaden und dazu weht häufig der Wind. Auf der anderen Seite sind es aber wieder einmal die einzelnen Menschen, die vorwärts denken und sich Gedanken machen darüber, wie sie das Leben auf ihrer Insel verbessern können. Seit Ende der 1980er Jahre haben sich Pellwormer Bürger im Arbeitskreis Energie des Vereins Ökologisch wirtschaften zusammengeschlossen und haben seither einen Bürgerwindpark, eine Biogasanlage und auch viele kleinere Projekte zur Energieeinsparung und Effizienzsteigerung gestartet.

Interessant ist vor allem, dass es auf Pellworm nicht mehr nur um den Aufbau einer zukunftsfähigen Energieversorgung geht. Das Ziel ist ganzheitlicher hier. „Es geht nicht nur darum „grünen Strom“ zu erzeugen und zu verbrauchen, sondern es geht darum die Bevölkerung zu motivieren sich an Energieeinspar- und Effizienzmaßnahmen zu beteiligen. Es geht aber auch darum mit der Nutzung regenerativer Energie etwas zur Stabilisierung des ländlichen Raumes zu tun“ erklärt der Arzt Dr. Uwe Kurzke, „wenn es uns gelingen würde über die Nutzung regenerativer Energien beispielsweise über eine Stiftung eine zusätzliche finanzielle Unterstützung für junge Pellwormer Familien mit Kindern in der Ausbildung zu finanzieren, könnten wir so vielleicht dem demografischen Niedergang der Insel ein bisschen Aufschub verschaffen. Insofern denke ich, dass es nicht mehr nur um die rein autarke Energieversorgung geht, es geht um mehr.”
Vielleicht ist es die Insellage an sich, durch die die Menschen stärker verinnerlicht haben, dass jede Entscheidung Konsequenzen für alle hat und nicht nur für den Einzelnen, der davon profitieren will. Vielleicht ist das Bewusstsein für Umweltveränderungen stärker wenn man auf Meeresspiegelhöhe lebt. Die Menschen auf Pellworm geben ein Beispiel was möglich ist und von dem man viel lernen kann.
Ich jedenfalls habe viel gelernt. Die Interviews sind nun alle online, weiter geht es mit den Filmen, die ich jeweils etwa im Wochenabstand online stellen werde.
Zum Interview mit Dr. Uwe Kurzke (Verein Ökologisch Wirtschaften)
Zum Interview mit Kai Edlefsen (Geschäftsführer des Bürgerwindparks)
Zum Interview mit Henning Clausen (Geschäftsführer der Biogasanlage)
Zum Interview mit Werner Wulf (Schleswig-Holstein Netz AG)
Außerdem eine kleine Hausführung mit Christian Cornilsen und ein spontanes Kurzinterview mit Dieter Haack (Projektleiter, Schleswig-Holstein Netz AG)