Rohne – Was man nicht mitnehmen kann

Vor dem Spaziergangs gegen Abbaggerung unterhält sich Edith Penk vor dem Bahnhof von Schleife mit einem Kamerateam und Menschen aus Rohne
Vor dem Spaziergangs gegen Abbaggerung unterhält sich Edith Penk vor dem Bahnhof von Schleife mit einem Kamerateam und mit Menschen aus Rohne

Während dem „Spaziergang gegen Abbaggerung“ hatte ich nur kurz Gelegenheit gehabt mit Menschen aus Rohne zu sprechen, also kam ich nochmal zurück nach Rohne. Edith Penk hatte mich eingeladen um mir die Naturlandschaft zu zeigen, die neben den Menschen und ihren Dörfern auch dem Tagebau weichen sollen. „Wenn man alles miteinrechnet, dann sind wenn der Tagebau alles gefressen hat 17 000 Hektar unserer schönen Heimat zerstört“, erzählt die Rentnerin Edith Penk, „Pücklers Jagdpark war voller alter Bäume, alte Buchen, alte Eichen, Kiefern, Fichten, Lärchen, Linden, Eschen, alles was man sich denken kann. Manche hatten ihre 400 Jahre auf dem Buckel.“ Von Orten wie der Jagdschlosswiese Fürst Pücklers und den Märchensee, von denen sie mir erzählte und Bilder zeigte, sah ich fast nur noch abgeholzte Flächen. Wegen Amphibien hat man rund um den ehemaligen Märchensee noch ein paar Bäume rundherum stehen gelassen, wie eine einsame Insel in der weiten gerodeten Fläche. Sind die Amphibien wieder weg werden auch der Rest der Bäume gefällt und gehäckselt denn dieses Abbaugebiet ist bereits seit 1994 genehmigt und wird nun gerodet und für den Tagebau vorbereitet. Der Jagdpark des Fürst Pückler und das Naturschutzgebiet „Urwald Weisswasser“ sind damit Geschichte. Edith Penk und ihr Sohn Christian versuchen seltene Pflanzen zu retten indem sie diese suchen und markieren, so dass sie umgesetzt werden können. „Man kann eine Genehmigung kriegen die Pflanzen zu kennzeichnen, die gerettet werden müssen, aber nur an bestimmten Stellen und meistens auch wenn es schon fast zu spät ist“, erzählt Edith Penk, „laut Gesetz ist es verboten geschützte Pflanzen zu entnehmen aber es ist nicht verboten, dass der Harvester oder irgendein Bagger die geschützten Pflanzen zerfährt.“

Zum Interview mit Edith Penk

Die Fläche rund um den "Märchensee" im bereits 1994 genehmigten Abbaugebiet ist schon gerodet
Die Fläche rund um den “Märchensee” im bereits 1994 genehmigten Abbaugebiet ist schon gerodet

Neben den Pflanzen, die nur in sehr geringem Umfang umgesiedelt werden können, sind es die Gebäude verschiedener historischer Baustile und die sorbischen Flurnamen, die die Menschen nicht mitnehmen können. Typisch für die Gegend sind Vierseitenhöfe, wie der von Ingo Schuster und seiner Frau Antje. Seit 2001 renoviert Ingo Schuster in Eigenarbeit zusammen mit Verwandten und Freunden seinen Vierseitenhof, genauso wie es auch sein Vater und sein Großvater getan hatten, die ihrerseits bereits ihre Höfe aufgeben mussten weil diese schon früheren Bergbauplänen im Weg waren. „Der Vierseitenhof, so in dem Stil mit vier Gebäuden mit Scheunenbereich, das kann man nicht mehr so aufbauen“, sagt Ingo Schuster, „da gibt es das sächsische Baugesetz. Wenn man nicht gerade einen Hof im landwirtschaftlichen Erwerb hat, dann ist es nicht mehr möglich das neu zu errichten. Das ist nicht mehr genehmigungsfähig.“ Er hat viel Zeit und Arbeit in diesen Hof investiert, entsprechend stark fühlt er sich mit diesem Ort verbunden. Andere Menschen in Rohne, die ihre Häuser nicht renoviert haben, sind dagegen teilweise froh ein neues Haus für ein Altes zu bekommen. So wächst ein Interessenskonflikt, zwischen denen, die sich Vorteile erhoffen wenn sie umsiedeln, und denen, die bleiben wollen. Ingo Schuster will bleiben und pflanzt junge Obstbäume entlang seiner Einfahrt, wo eine Woche zuvor die Kundgebung des Bündnisses „Strukturwandel jetzt – kein Nochten II“ stattgefunden hatte.

Zum Interview mit Ingo Schuster

Ingo Schuster pflanzt einen neuen Apfelbaum auf seinem Hof
Ingo Schuster pflanzt einen neuen Apfelbaum auf seinem Hof

Das Bündnis „Strukturwandel jetzt – kein Nochten II“ besteht seit Frühjahr 2013. Mitaufgebaut hat es Friederike Böttcher als Reaktion auf die mangelnde Bürgerbeteiligung im Erörterungsverfahren und die geringe Zusammenarbeit der verschiedenen Gruppen in der Region. Es gilt den geplanten Tagebau Nochten II zu verhindern. Wie der Namen des Bündnisses bereits deutlich macht, hat Sie aber auch das dahinterliegende Problem im Blick. Die Lausitz ist eine strukturschwache Gegend mit hoher Arbeitslosigkeit und niedrigen Einkohmmen. „Das Problem ist, dass in Sachsen noch nicht der Gedanke angekommen ist oder bewusst ignoriert wird, dass die Kohle so oder so leer sein wird. Auch wenn Nochten II aufgemacht wird, reicht die Kohle vielleicht bis in die 2060er Jahre“, erklärt Friederike Böttcher, „aber spätestens dann ist das Gebiet ausgekohlt und dann stellt sich die Frage wie geht die Zukunft der Lausitz weiter? Deswegen sind wir der Auffassung, warum so lange warten? Wir wollen jetzt anfangen über Zukunftsperspektiven der Lausitz nachzudenken. Wir wollen, dass auch noch in 50 Jahren junge Menschen hier wohnen, die sich für ihre Region engagieren und ihre Region lebenswert finden.“

Zum Interview mit Friederike Böttcher

Friederike Böttcher beim Spaziergang gegen Abbaggerung
Friederike Böttcher beim Spaziergang gegen Abbaggerung